Ausserordentliche Synode zum Thema «Ehe für alle» in Zürich
An einer ausserordentlichen Synode hat die Christkatholische Kirche der Schweiz ein einziges Thema behandelt: die «Ehe für alle». Die Konsultativabstimmung am Schluss hat ein klares Ergebnis gebracht: Wie es jetzt ist, soll es nicht mehr sein, die Delegierten wünschen sich ein Ritual für alle.
Die ausserordentliche Synode, die aufgrund der Corona-Pandemie auf den 22. August verschoben worden war, begann mit einer Andacht, gehalten von Pfarrerin Melanie Handschuh und Generalvikar Daniel Konrad. Eine Andacht, die im Grunde schon vieles, was an diesem Tag geschehen sollte, vorweggenommen hat. Orgelmusik von Merit Eichhorn in leisen und lauten Tönen und eine moderne Melodie. Der biblische Satz aus der Schöpfung, «es werde Licht» und die Einsicht: «Liebe vereint in aller Verschiedenheit». Alles umrahmt mit Gesang des Tenors Andreas Meier, der unter anderem das Lied «What A Beautiful World» sang.
Doch bevor die vereinende Liebe zum Zuge kam und es ein schöner Tag in einer schönen Welt werden sollte, stand ein gutes Stück Arbeit bevor. Erleichtert wurde die anspruchsvolle Debatte dadurch, dass die Kirchgemeinde Zürich den Anlass vorbildlich organisiert hat und die Gestaltung des Tages eine informative und lebendige Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichte. Das begann damit, dass ForscherInnen (Aischa Amrein, Nassouh Toutounghi, Melanie Handschuh) einem Experten-team (Stephanie Arnold, Peter-Ben Smit, Adrian Suter) Fragen – auch aus dem Plenum – zur Thematik stellten. Allem zu Grunde lagen vier Modelle, mit der (stark verkürzten) Bandbreite von «es bleibt alles, wie es ist» (Modell Wloemer), über einen «zwei verschiedene sakramentale Riten, aber gleichwertig» (Modell von Arx), «mehrere liturgische Formen für verschiedene Lebenssituationen» (Modell Ring) bis hin zu einem einzigen «Ritus für alle» (Modell Krebs).
Bibeltexte und Ehebegriff nicht eins zu eins anwendbar
Die Bibel, so wurde schnell klar, konnte für das heutige Verständnis von gleichgeschlechtlicher Liebe nicht zu Rate gezogen werden, auch wenn sich in ihr einzelne Stellen finden lassen, in denen die Homosexualität erwähnt wird. Die Aussagen wurde mit anderem medizinischem Wissen, kulturellem Hintergrund und in anderen Lebenssituationen gemacht. Dies erlaubte keine sinnvolle Übertragung ins Heute. Auch der Ehebegriff als Verbindung von Mann und Frau mit dem Ziel der Fortpflanzung zeigte seine Problematik: Dürfen unfruchtbare Paare dann über-haupt heiraten, um nur ein Beispiel zu nennen. Das Leben scheint eben komplexer zu sein, als das, was biblische Vorstellungen und selbst heute bestehende kirchliche Anforderungen an eine Ehe vorsehen.
Auch bei der Frage nach der Sakramentalität der Ehe liegt der Fall nicht eindeutig. In der Utrechter Union vollzieht die Schwedische Kirche einen Ehe-Ritus, den sie selbst nicht als Sakrament benennt. Zu einer Spaltung hat das nicht geführt. Dass die Ehe weiterhin ausdrücklich als Sakrament gewünscht ist, hat seinen Grund auch darin, dass die Gruppe der Betroffenen (LGBTI) kein «Sonderzüglein» möchte. Eine Segnung wird von ihnen als abwertend empfunden, die Ehe für gleichgeschlechtliche soll wie jene der Heterosexuellen ein Sakrament sein.

Vertiefung in Arbeitsgruppen
Am Nachmittag teilten sich die Delegierten in Arbeitsgruppen auf, in denen sie die «Ehe für alle» auf ihren biblischen, theologischen, liturgischen und pastoralen Bezug prüften. In der vom Autor dieses Artikels besuchten Gruppe war man sich mehrheitlich einig, dass für die heutigen Verhältnisse kein biblischer Bezug möglich ist, wenn es um jene Textstellen geht, die sich mit der Homosexualität befassen. Auf einer anderen Ebene gab es aber durchaus Anknüpfungspunkte. So wurde festgehalten, dass in der Ehe Verbindlichkeit und Treue eine Rolle spielen. Diese Verbindlichkeit fand die Gruppe in Gottes Zusage an alle Menschen, dass er bei ihnen sei bis ans Ender aller Zeiten. Verbindendes zur Bibel stellt auch die Tatsache dar, dass Gott alle Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, egal, welche sexuelle Orientierung sie leben. Die Kirche solle Gottes Zusage und seine Liebe zu allen Menschen widerspiegeln, lautete ein Ergebnis.
In der Seelsorge wünschten sich die Teilnehmenden, dass die sexuelle Orientierung nur in dem Sinne eine Rolle spiele, dass sie respektiert, noch besser akzeptiert und nicht diskriminiert werde. Das Gefühl der Zugehörigkeit zur Kirche stärke die Verbundenheit mit ihr. Dahingehend müsse die Seelsorge wirken.
Neues neu benennen
Auf der theologischen Ebene fragten sich die Gruppenmitglieder, ob es wirklich ein Ehesakrament brauche, oder ob nicht eine Segnung genüge. Man kam zum Schluss, dass die Sakramentalität beibehalten, das Sakrament aber für alle geöffnet werden solle. Dieses «neue», erweiterte Sakrament müsse nicht unbedingt «Ehesakrament» heissen, da der Ehebegriff selbst ein Problem darstelle. Ein Vorschlag lautete «Sakrament für den Lebensbund». Bei der Diskussion über die liturgische Form wurden zwei Modelle favorisiert: Jenes von Mathias Ring, das verschiedene Formen für die jeweilige Lebenssituation vorsieht und jenes von Andreas Krebs: einen einzigen Ritus für alle. Auch das Modell von Arx mit zwei sakramentalen, aber gleichwertigen Riten wurde genannt. Einigkeit herrschte in einem Punkt: So, wie es heute gehandhabt wird, soll es in Zukunft nicht mehr sein.
Resultat ist «wegweisend»
Die für Synodalrat und Bischof nicht bindende, den Tag abschliessende Konsultativabstimmung, die der Kirchenleitung aber für die kommende ordentliche Session der Nationalsynode in Laufen ein Bild der Befindlichkeit vermitteln soll, kam diesem Ansinnen in allen Belangen nach. Die Anwesenden (stimmberechtigt waren alle) mussten angeben, welches Modell ihnen am besten zusage und welches sie am meisten ablehnten. Das Resultat: Mit 76 Stimmen wurde die bisherige Praxis (Modell Wloemer) wuchtig verworfen. Weitaus am meisten Zustimmung fand das Modell Krebs mit einem Ritus für alle. Weit abgeschlagen lagen die Modelle von Arx und Ring mit zwischen 10 und 15 Stimmen im positiven wie negativen Bereich. Das klare Ergebnis nimmt Synodalrat und Bischof die noch grosse bevorstehende Arbeit zwar nicht ab, die klare Meinungsäusserung der Delegierten dürfte aber für die Wegfindung hilfreich sein.
Franz Osswald