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«Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn», Lk. 19,38

Jerusalem kurz vor dem Passahfest. Und es geschieht Unerwartetes. Einer nähert sich der Stadt, auf einem Esel reitend, begleitet von einem Dutzend Männer, die den Aufmarsch kommentieren: Der Reiter, das sei der lange erwartete Messias. Der gesegnete König, der Vollender göttlicher Gerechtigkeit. Die Hoffnung von Generationen scheint sich mit ihm zu erfüllen. Er beendet die Demütigungen des Volkes Israel, er errichtet ein Friedensreich. Da ist kein Jubel zu laut.

Kennen wir die Situation nicht auch, so oder anders? Das Leben bringt Höhen und Tiefen, ein Kampf war es jedoch immer, meinte unser Geschichtslehrer. Wenn doch einer käme und Ordnung brächte. Wir würden ihn gerne zu unserem König machen.

Aber es geht letztlich nicht darum, einen Starken an unserer Seite zu haben, sondern darum, selbst zu erstarken. Jesus ergreift daher nicht die Macht. Der Glanz des Tages schwindet, eine schreckliche Woche bahnt sich an. Selbst das Starke weicht, das Bestehende, das Bewährte, überfällig geworden, weil es sich an die Stärke anderer klammert, verliert seine Kraft. Am Ende steht Jesus allein da, vor dem Richter, mit der Dornenkrone. Die zwölf Legionen Engel kommen ihm nicht zu Hilfe. Geschweige denn seine Jüngerinnen und Jünger. Ein solcher Tiefpunkt kann dauern. Dann aber kann Neues beginnen. Es entzieht sich präziser Beschreibung. Das Bild mit einem neuen Tag trifft es vielleicht nicht schlecht. Die Nacht mag gedauert haben. Aber einmal kommt Licht zurück. Das noch schwache Licht eigener Kraft. Hoffnungszeichen einer Auferstehung. Kaum in drei Tagen, vielleicht aber in drei Jahren.

Wahrscheinlich auch nicht zu ewigem Glück, dafür vielleicht zur Stärke, Höhen wie Tiefen zu ertragen.

Niklaus Reinhart