Fest der Begegnung

Darstellung Jesu im Tempel. Egbert-Codex. Um 980. Angefertigt im Auftrag des Bischofs von Trier, Egbert (950-993) durch das Skriptorium des Klosters Reichenau am Bodensee angefertigt. Heute in der Stadtbibliothek Trier.

Hochbetagt ist Hanna.
So sagt es das Evangelium.
Eine Frau, die vieles erlebt hat.
Vieles erfahren, vieles gehört.
Leben und Tod.
Doch ist sie nicht alt, nicht abgelegt.
Voller Sehnsucht ist sie.
Ihre Leidenschaft glüht,
für erlösende Nähe.

So zeigt das Bild sie lebendig,
aufrecht und jung.
Zum Himmel geöffnete Hände.
Tief schauende Augen,
die den Wesenskern ahnen.
Als das Kind kommt,
mit den Eltern, ist Hanna bereit.
Lange schon trägt sie Farben des Heils,
wie Christus, das göttliche Purpur.

Hanna erkennt ihn.
Hoffen gibt ihrem Leben Glanz,
Schönheit des Göttlichen.
Sie grünt im Erwarten,
eingehüllt von innigem Sehnen.
Ihr Gottesdurst wird nun gestillt.
Was sie weitsichtig fühlte,
nähert sich nun, wehrlos,
vollendet ihr Leben, ihr Sein.

Michael Bangert