„Gott hat sich der Welt aus Liebe zugewandt“

Predigt von Erzbischof Bernd Wallet, Utrecht, über die Apg 10.34-35, 42-48 am Festgottesdienst der Nationalsynode vom 10. Juni 2022.

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Schwestern und Brüder in Christus!

Erzbischof Bernd Wallet mit Geistlichen der Christkatholischen Kirche. Fotos: Kurt Schibler

Ende August beginnt die elfte Vollversammlung des Weltkirchenrates in Karlsruhe. Tausende von Christen aus vielen Kirchen und Kulturen werden sich mehrere Tage lang zu einem gemeinsamen Thema treffen. Wir altkatholischen Delegierten haben uns in den letzten Tagen unter der guten Leitung von Pfarrer Christoph Schuler im Berghüsli auf diesen wichtigen Anlass im Leben der Kirchen vorbereitet.

Das Thema ist «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt». Das ist ein sehr weit gefasster Satz. Aber das Wesentliche ist klar. Die Ökumene ist kein innerkirchliches Fest. In Christus ist die Liebe Gottes zur ganzen Schöpfung sichtbar geworden. Und diejenigen, die Jesus nachfolgen, haben die Aufgabe, dies bekannt zu machen. Wir sind mit der Verkündigung der Versöhnung betraut worden.

Die ökumenische Bewegung ist entstanden, um kirchliche Spaltungen zu überwinden. Die Altkatholiken bzw. Christkatholiken haben dies bereits getan, bevor die offizielle ökumenische Bewegung begann. Aber heute sehen wir, dass Versöhnung zwischen den Kirchen, obwohl essenziell, nicht das Endziel der ökumenischen Bewegung ist. Ihr Endziel ist ein gemeinsamer Dienst an der Welt, die der Versöhnung bedarf.

Gott hat sich der Welt aus Liebe zugewandt. Und so muss es auch heute in den Kirchen um das gehen, was die Welt bewegt, es muss um die Ängste und Sorgen der Menschen gehen, die sich fragen, ob unser Planet noch eine Überlebenschance hat; die sich fragen, ob Gewalt und Unterdrückung in der Ukraine gestoppt werden können; die sich fragen, wem man noch vertrauen kann. Um diese Welt muss es in den Kirchen gehen, genährt von unserer lebendigen Beziehung zu dem lebendigen Gott.

Unsere heutige erste Lesung aus Apostelgeschichte 10 ist Teil einer längeren Geschichte. Eine Geschichte, die voller Aktivität ist. In der Hauptrolle ist unter anderem der römische Soldat Cornelius zu sehen. Er ist auf der Suche auf dem grossen Markt der Möglichkeiten. Er ist kein Jude, aber er ist sehr dankbar für seinen jetzigen Dienstort. Und wir sehen Petrus, der Apostel, der auf dem Dach seines Hauses sitzt. Er ist Jude und meint, dass alle Heiden getauft werden können, solange sie zuerst Juden werden.

Er betet auf dem Dach. In der Stille öffnet er sein Leben für Gott. Ein solcher Moment am Tag, eine solche Stille, das ist die Sendezeit des Heiligen Geistes. Es ist eine Übung im Zuhören. Ein Weg, um für das, was wirklich wichtig ist, empfänglich zu werden. Petrus kann vom Dach aus über das Meer schauen. Was würde sich hinter dieser Wasserfläche ergeben? Sind es die äussersten Enden der Erde? Ist das die gesamte Ökumene? Soll die Mission Jesu auch dort erfüllt werden? Schliesslich hat Jesus gesagt: «Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde». Aber ganz so einfach ist es nicht. Zunächst muss Petrus eine neue Vision erhalten. Er erhält sie – in der Stille auf dem Dach – in einer Vision von allen Tieren in Noahs Arche. Sie sind alle sauber, sagt die Vision. Aber dies unterscheidet sich von dem, was man Petrus beigebracht hatte.

Einzug der Geistlichen in die Stadtkirche

Es ist eine rasante Entwicklung in der frühen Kirche, eine Entwicklung, die uns immer noch trägt und deren Tragweite wir allmählich verstehen lernen. Gottes Liebe richtet sich an alle Menschen! An alle Menschen, unabhängig von ihrem Hintergrund, ja, sogar an diejenigen, die aus dem einen oder anderen Grund nicht an Gott glauben können, aber nach dem Sinn des Lebens suchen. Christus ist gekommen, damit wir durch den Geist Mensch werden.

Petrus hatte von seinen Massstäben, seinem Blickfeld her gedacht: Heiden sind Heiden. Er glaubte, es gäbe hohe Mauern zwischen ihm und Menschen aus anderen Kulturen oder Lebensweisen. Eine Art Trennungsdenken, so wie es auch in Europa während Jahrhunderten gegolten hat: Schwarze sind Schwarze, Frauen sind Frauen, Muslime sind Muslime, Schwule sind Schwule. Aber Gott hat Petrus von diesem resignierten und resignierenden Trennungsdenken befreit.

Als Petrus sich wieder einmal fragt, ob Gott ihm etwas klar machen will, da klingelt es unten. So funktioniert die Führung Gottes oft. Menschen kommen und sprechen mit dir. In diesem Fall sind es die Männer des Cornelius. Petrus versteht; er geht mit ihnen. Und dann treffen sie sich: Cornelius, der vom Heidentum über Israel zu Christus kommt. Und Petrus, der von Israel über Christus zu den Heiden geht.

Und was geschieht an diesem Scheideweg in der Heilsgeschichte? Wir haben es im gelesenen Abschnitt gehört. Petrus merkt, dass hier etwas Besonderes passiert. Und Gott hat diese Besonderheit gewollt. Dies ist ein Tag, den der Herr gemacht und gegeben hat! Die Worte Jesu erstrahlen in einem neuen Glanz. Pfingsten ist wieder da. Das Fest, das niemals endet, bricht auch hier aus. Der Geist fällt auf alle, die das Wort gemeinsam hören. Die Menschen werden mit dem Geist getauft. Die Zungen werden gelockert. Die Einzelnen bilden eine Gemeinschaft. Mauern fallen. Die Menschen werden befreit. Und dann gibt es die Wassertaufe. Die Gemeinschaft Jesu Christi ist gegründet. Die Liebe Christi hat die Welt bewegt, versöhnt und geeint.

Dieses Wunder wiederholt sich immer dort, wo der Geist wirkt und Menschen sich seiner Gegenwart öffnen. In Karlsruhe, in unseren Gemeinden, auf dieser Synode, bei unseren Begegnungen: Mögen unsere Kirchen Räume sein, in dem wir einander trotz aller Unterschiede verstehen. Wo jeder sich selbst sein kann. Und wo Gott, der uns alle so liebt, in allen Dingen verherrlicht wird.

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Bernd Wallet
Erzbischof von Utrecht