
Wer in die Oltner Stadtkirche kommt, «betritt» Kirche und Grabstelle. Foto: zVg
Persönliche Gedanken zum Gemeinschaftsgrab der Stadtkirche Olten von Pfarrer Kai Fehringer
Neu verfügt unsere Stadtkirche in Olten über ein Gemeinschaftsgrab. Diese Möglichkeit einer Grablege in einer Kirche ist keine völlig neue Idee, denn schon immer waren gerade auch katholische Kirchen Grablegen für Reliquien von Heiligen in den Altären oder aber für Bischöfe und Priester quasi als Ehrengrab möglich. Aber warum dies? Warum Menschen in einer Kirche bestatten?
Theologisch steht dahinter die Idee, dass bei der Auferstehung der Toten Gott vermutlich diejenigen, die ihm am nächsten standen oder auch die, die er deshalb am liebsten hatte, zuerst von den Toten erwecken würde. Daher steht Gott quasi «dem kirchlichen Raum als Ort seiner Verehrung und dem Ort der Grablege derer, die ihm am nächsten stehen», besonders nahe. Diese Argumentation klingt für unsere heutigen Ohren fremd und ist fast nicht mehr nachzuvollziehen.
Es gibt aber noch eine zweite Argumentationslinie, nämlich die Verbundenheit der Menschen durch das Band der Liebe über den Tod hinaus. Im Gottesdienst treffen sich die Menschen, um sich mit dem Göttlichen zu verbinden, und diejenigen, die schon bei Gott sind, sind auch da – sogar gleichsam materiell sind sie mit ihrer Asche im kirchlichen Raum (der Stadtkirche Olten) zugegen. In den Kirchen beschwert man sich immer darüber, dass die Bänke und Plätze leer sind. Im Gottesdienst versammelt sich aber eigentlich das gesamte Volk Gottes mit denen, die uns schon vorausgegangen sind. Soweit ein paar theologische Gedanken und Sichtweisen zu Gräbern und dem Gemeinschaftsgrab in Kirchen und im speziellen unserer Stadtkirche.
In Basel und Deutschland
In der Basler Predigerkirche existiert seit einigen Jahren eine Tumba, in der bereits Menschen bestattet wurden, ebenfalls im Kirchenraum. In verschiedenen Städten in Deutschland gibt es schon regelrechte Grabkirchen, in denen Urnenstellwände auf gestellt wurden. Allerdings sind Urenstellwände oder sogenannte Urnennischen keine Gräber, sondern nur ein vorübergehender Abstellort. Nach Ablauf der vorgesehenen Ruhezeit wird die Nische neu belegt, und dann kommt die Asche in ein – wie wir in der Schweiz sagen – sogenanntes Gemeinschaftsgrab. Sehr problematisch ist die Frage: «Was passiert eigentlich, wenn dieses voll ist? Soll man es absaugen? Oder – und das wäre die für mich stimmigere Variante – verschliessen und auf ewig bestehen lassen?»
In unserer Stadtkirche soll dies geschehen, solange wir im Besitz dieser Kirche sind. Dieses Grab soll beste hen bleiben, und wenn es einmal voll belegt sein sollte, könnte man an an derer Stelle ein Neues schaffen. So füllt sich der Boden der Kirche mit der Asche unserer Ahnen. Wir stehen dann – im wahrsten Sinne des Wortes – auf der Asche unserer Vorfahren.
Grabstätte als spiritueller Ort mitten im Leben
Ich finde, dies ist ein gutes Bild für das Leben. Aber auch für den Glauben. Spirituell gesehen, wurden schon immer die Toten mit ins heutige Leben einbezogen. Der Gottesdienstraum mit der Liturgie, dem Gottesdienst, der in ihm gefeiert wird, ist ein Ort von komprimiertem Leben. Ich glaube, es ist gerade als Christ wichtig, dies in der Gesellschaft wie der bewusster zu zeigen. Wir «entsorgen» unsere Toten nicht. Wir bringen ihre Asche an einen spirituellen Ort des Lebens und beziehen sie so immer wieder in unser Denken, Beten und Tun ein.
Nun noch ein paar Gedanken zur Symbolik der Gestaltung der Grablege der Stadtkirche. Unser Gemeinschaftsgrab ist im Boden der Kirche angelegt und ästhetisch mit einem goldenen Deckel verschlossen. Öffnet man diesen Deckel, sieht man einen viereckigen Trichter, der mit einer Intarsienarbeit verziert ist und einen durchbrochenen Stern symbolisiert. Die Asche wird also gleichsam durch ein himmlisches Licht an den Ort der Ruhe gegossen. Um die Graböffnung herum ist eine Schlaufe, ebenfalls als Intarsienarbeit, in den Asphalt gelegt. Diese Schlaufe symbolisiert ein Achteck. In der frühen kirchlichen Baukunst wurden oft Taufkapellen oder gar ganze Kirchen als achteckiges Gebäude erstellt. Das Achteck soll erinnern an den achten Tag – den Tag der Auferstehung – den Tag, an dem es keinen Abend mehr gibt. In den Asphalt können unmittelbar vor Allerheiligen die Namen der Menschen graviert werden, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Liberales Bestattungsgesetz
Zum Schluss noch etwas Pragmatisches: Warum ein Gemeinschaftsgrab in der Stadtkirche, obwohl es doch schon so etwas auf dem Friedhof in unserer Stadt gibt? Der alte Friedhof der Stadt Olten war an der Stelle, wo heute die Stadtkirche steht. Warum darf es nicht mehrere Orte der Ruhe und des Friedens für die Lebenden und die Toten in einer Stadt geben? Bei uns in der Schweiz gibt es keine Friedhofspflicht – wie zum Beispiel in Österreich oder in Deutschland. Jeder kann selber entscheiden, was mit der eigenen Asche oder mit der Asche seiner Angehörigen geschieht. Ich glaube, eine Kirche ist ein würdiger Ort für die Aufbewahrung der Asche. Besonders für die Menschen unserer Stadt, die in einem spirituellen Kontext bzw. im Herzen der Stadt bei den Menschen ihre letzte Ruhe finden möchten, wo sie gelebt, geweint, geliebt und gefeiert haben.
Pfarrer Kai Fehringer