Klosterkirche Olsberg – Lesung mit Alfred Bodenheimer

Krimilesung – Des Rabbis tote Tante

Am Sonntag, den 3. November 2019, findet um 17 Uhr in der Klosterkirche Olsberg eine Lesung mit dem Basler Schriftsteller Alfred Bodenheimer statt. Seine Hauptfigur, Rabbi Klein aus Zürich, ist dieses Mal den Gründen für das rätselhafte Ableben seiner Tante Bianca auf der Spur. Es ist dies der fünfte Band mit Rabbi Klein und wiederum erfährt die Leserschaft auch Interessantes, Lustiges und nachdenklich Machendes zum Judentum.

Die Lesung wird begleitet von den jazzigen Klängen von ALEŠ KOBLÍŽEK, Saxophon, und THOMAS BAUMGARTNER, Klavier. Organisation: Vereinigung Hortus Dei Olsberg. Ein Fahrdienst kann angefragt werden unter 079 371 37 94. Eintritt frei, Kollekte (Text: Katharina Metzger).

Ihr aktueller Krimi «Im Tal der Gebeine » fängt im ersten Kapitel damit an, dass Rabbi Gabriel Klein mit einer Gummischürze und mit Gummihandschuhen im Dampf steht. Was macht er?

Er macht das Geschirr koscher für Pessach. Vor dem Pessachfest wechselt man alles Geschirr aus. Alles, was mit Gesäuertem, also Brot und Teigwaren, in Berührung gewesen ist, wird dann nicht mehr benutzt, sondern zuerst in heisses Wasser eingetaucht. Das passiert in den Gemeinden. Wenn Sie in Jerusalem sind, finden Sie das auch auf den Trottoirs: Gasflammen mit riesigen Töpfen. Dann kommen die Leute und alles wird hineingetaucht.

Rabbi Klein hilft da tatkräftig mit. Ist das überall so oder ist das typisch für Rabbi Klein?

In den meisten Gemeinden ist es wohl so, dass der Rabbiner das immer macht. Man überlässt es ihm, weil er das Gesetz kennt.

Mitten in dieser Arbeit sieht Rabbi Klein eine Bekannte, es ist Karin Bänziger von der Kriminalpolizei. Sie überbringt ihm die Nachricht vom Tod seiner Tante Bianca Himmelfarb. Bianca und ihre Schwester Ruth: Das Leben von ihnen beiden steht im Zentrum des Romans. Inwiefern ist es typisch für ihre ganze Generation?

Bianca ist 1930 geboren, ihre Schwester Ruth ist ein Jahr älter. Bianca ist neun Jahre alt, als sie von ihrem Vater 1939 in die Schweiz gebracht wird und dann nach England geht. Es sind also Leute, die mitten in der Kindheit aus ihrer Welt gerissen werden. Diese Welt ist praktisch schon zerstört und wird ganz zerstört werden, die Kinder sehen ihre Eltern nie mehr, kommen in ein völlig fremdes Land und müssen sich dort akklimatisieren. Sie werden sozial deklassiert, bei Bianca ist das besonders drastisch, denn sie wird von sehr wohlhabenden Leuten aufgenommen und führt nun quasi ein Leben als höhere Tochter, geniesst zum Beispiel Tennisstunden, gehört aber nicht wirklich dazu. Trotzdem kommt sie so zu Kontakten, die ihr ihren Aufstieg in der gehobenen Gesellschaft ermöglichen. Ihre Schwester Ruth dagegen studiert Pharmazie, mit dem Ziel, damit den Staat Israel aufbauen zu helfen. Das sind Schicksale von Leuten, die ihr Leben vollkommen selbst und neu aufbauen müssen und die nichts mehr haben als sich selbst.

Müssen sie auch ihr Jüdischsein neu aufbauen?

Das ist bei beiden unterschiedlich, sie haben beide nicht mehr viel mit dem Judentum zu tun. Ruth wird zionistisch erzogen, heiratet aber einen nichtjüdischen Mann, der fast schon antisemitisch ist und bleibt in England. Bianca gerät durch ihre Heirat und den Kontakt zur Zürcher Familie wieder in ein jüdisches Umfeld, kann aber mit dem Religiösen nicht viel anfangen. Für beide ist es am Ende ein Teil ihres Lebens, der total unbewältigt ist.

Über Sie kann man lesen, dass Sie eine «traditionelle jüdische Ausbildung» genossen haben. Was bedeutet das?

Ich bin aufgewachsen in einem religiös praktizierenden Haus in Basel, recht orthodox, aber gleichzeitig weltoffen. Ich habe die jüdische Primarschule besucht, später dann das Kohlenberggymnasium, das heute anders heisst. Wir waren fünf Juden in der Klasse, was viel ist. Während der ganzen Jugend habe ich begleitend Talmudstunden und Torakurse gehabt, das war immer ein wichtiger Teil von meinem Leben. Ich habe eigentlich das Beste aus beiden Welten mitbekommen, eine gute Schweizer Schulausbildung und gleichzeitig sehr interessante Lehrer für den jüdischen Bereich.

Heute sind Sie Professor für jüdische Literaturund Religionsgeschichte an der Uni Basel – und schreiben Krimis. Wie sind Sie zu Rabbi Klein gekommen?

Ich sage immer: Ich bin nicht zu Rabbi Klein gekommen, er ist zu mir gekommen. Ich habe immer, auch schon als Jugendlicher, gerne geschrieben. Nun wollte ich etwas schreiben, was nicht in der Schublade liegen bleibt. Ich hatte einen Plot im Kopf, den ich innerhalb von sechs Tagen aufschrieb, obwohl ich eigentlich keine Ahnung hatte, wie man Krimis schreibt und auch keine Krimis gelesen hatte. Ich wollte gerne etwas schreiben, das in einem Umfeld spielt, das ich kenne. Und das hat in meinem Falle den Reiz, dass viele dieses Umfeld nicht kennen und die Krimis mittlerweile für viele einen Einstieg ins Judentum ermöglichen, obwohl ich das gar nicht beabsichtigt hatte. Für mich sind didaktische Krimis eine Katastrophe, das Wichtigste sind ein guter Plot und die Figuren, die müssen interessant sein. Mit echten Menschen lebt man mit!

Sie lesen nun in der Klosterkirche in Olsberg. Rabbi Klein in der Kirche: Wäre er dafür offen?

Ja, als Besucher oder als Gast schon. Er ist nicht ein wahnsinnig grosser Freund des Verkrampftes. Die Christen vergessen dabei immer, koschere «Guetzli» hinzustellen, und wenn ein Anlass bei den Juden stattfindet, stellen sie schreckliche alte Guetzli hin. Aber Rabbi Klein würde in eine Kirche gehen, genauso, wie er in einem Band auch in eine Moschee geht. Als institutionalisierte Sache findet er den interreligiösen Dialog eher öde, nicht aber, wenn dieser Dialog natürlich zwischen zwei Menschen geführt wird. In den organisierten Veranstaltungen werden die Teilnehmer häufig auf ihre religiöse Herkunft reduziert, müssen dann «Jude» oder «Christ» spielen. Aber «der Jude» ist nicht einfach «der Jude», sondern ein Mensch mit hundert Interessen und Facetten.

Das gegenseitige Zuhören und das Verstehen ist viel wichtiger als das Kreieren einer künstlichen Gemeinsamkeit. Zurück zur Frage: Nicht alle Juden würden in eine Kirche gehen. Ich persönlich tue das, weil ich das Gefühl habe, ich komme da hinein als Jude, bleibe da als Jude und gehe wieder hinaus als Jude. In dem Sinn kommt Rabbi Klein in die Kirche in Begleitung von mir.