Themenvorlage „Ehe für alle“ – Umsetzung

Dokument zur 155. Session der Nationalsynode, Olten 2022


13. Ehe für alle

13.1 Stellungnahme der Internationalen Bischofskonferenz zur ersten Lesung der Stellungnahme in Glaubensfragen
(Referent: Bischof Dr. Harald Rein)

13.1.1 Sondersitzung der IBK
Am 1. März 2022 fand auf Antrag von Bischof Harald Rein hin eine Sondersitzung der Internationalen Bischofskonferenz (IBK) per Video Zoom statt. Er bat die IBK, ihm folgende Fragen zu beantworten: Stellt die in erster Lesung gefasste Stellungnahme der Nationalsynode der Christkatholischen Kirche der Schweiz vom 10./11. September 2021 zur kirchlichen Umsetzung der staatlichen Ehe für alle für die Utrechter Union unter dem Aspekt der Einheit im Glauben ein Problem dar? Es geht insbesondere um folgende Aussage:

«Jede Segnung, die die Kirche einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe zwischen zwei Erwachsenen gleich welchen Geschlechts spendet, ist in gleicher Weise sakramental».

Mit der Fragestellung erhielt die IBK einen entsprechenden Auszug des Protokolls der 154. Session der Nationalsynode vom September 2021 in Thun und das neue vorgesehene Liturgische Formular mit Bausteinen (siehe 13.5).

13.1.2 Antwort der IBK
Nach entsprechender Diskussion gab die Internationale Bischofskonferenz folgende Antwort:

  1. Der von der Christkatholischen Kirche der Schweiz eingeschlagene Weg wird als nicht kirchentrennend empfunden.
  2. Es bestehen aber in der IBK ökumenische Sorgen: Gefahr der Isolation der altkatholischen Kirchen der Utrechter Union in der Weltökumene, da die orthodoxen Kirchen und die römisch-katholische Kirche und die Mehrheit der anglikanischen Kirchen die Ehe für alle ablehnen; ebenso die meisten reformatorischen und anderen Kirchen ausserhalb Westeuropas und Nordamerikas.
  3. Das vorgesehene Liturgische Formular ist primär auf die positiv zu begrüssende Gleichbehandlung ausgerichtet, scheint der IBK aber in einigen Details noch nicht ausgereift. Deshalb wünscht die IBK, es erst einmal nur bis auf weiteres in Kraft zu setzen und in den nächsten Jahren weiter daran zu arbeiten. Hier könnten gerade die Gespräche der Geistlichen mit den Paaren beim Gebrauch wichtige Erfahrungen und Impulse geben.

13.2 Bericht zur Stellungnahme in Glaubensfragen (Referent: Pfr. Dr. Adrian Suter, Synodalrat)

13.2.1 Überlegungen von Bischof und Synodalrat zur zweiten Lesung der Stellungnahme in Glaubensfragen
Das Schweizer Volk hat am 26. September 2021 in einer Volksabstimmung der Vorlage, die die zivilrechtliche Ehe für alle ermöglicht, mit einer Mehrheit von 64,1 Prozent zugestimmt. Die Ehe für alle tritt auf den 1. Juli 2022 in Kraft. Dieser staatliche Schritt ist die Voraussetzung dafür, die Ehe für alle in der Kirche einführen zu können.

Im Zusammenhang mit der ausserordentlichen Session der Nationalsynode 2020 mit ihrer Konsultativabstimmung und der 154. Session der Nationalsynode 2021 in Thun mit der ersten Lesung der Stellungnahme in Glaubensfragen war die inhaltliche Diskussion sehr intensiv geführt worden. Bischof und Synodalrat verweisen dazu auf die Synodeunterlagen vom letzten Jahr. Seither ist die Diskussion stark zurückgegangen. Den Grund für diesen Rückgang sehen Bischof und Synodalrat im sehr deutlichen Ergebnis der ersten Lesung. In dieser Situation legen sie die in der ersten Lesung vorgelegte Glaubensaussage für die zweite Lesung in unveränderter Form vor.

13.2.2 Die ökumenische Dimension der Frage
Bischof und Synodalrat können die Sorgen der IBK um die Ökumene nachvollziehen, sind aber zugleich der Auffassung, als eigenständige altkatholische Ortskirche müsse die Christkatholische Kirche der Schweiz ihrer Überzeugung folgen. Wenn andere Kirchen diesen Weg ablehnen, kann man den Weg der christkatholischen Kirche nicht nur als ökumenische Isolation verstehen, sondern auch als Zeugnis in der Christenheit der Gegenwart. Wenn die christkatholische Kirche überzeugt ist, eine sakramentale Einsegnung der Ehe sei nicht an die Gegengeschlechtlichkeit des Paares gebunden; wenn die christkatholische Kirche der Auffassung ist, dies liesse sich auf der Grundlage eines katholischen Sakraments- und Eheverständnisses theologisch verantworten; dann kann, ja muss sie für diese Überzeugung auch im ökumenischen Kontext Zeugnis ablegen.

Aufgrund der bisherigen theologischen Reflexionen, der sehr klaren Mehrheitsverhältnisse bei der ersten Lesung und der positiven Rückmeldung der IBK haben Bischof und Synodalrat keine Stellungnahmen von Theolog*innen anderer Kirchen eingeholt. Dies umso mehr, als die Haltung vieler Kirchen zur Frage bekannt ist. Die ökumenische Hauptaufgabe besteht ihres Erachtens darin, den Entscheid der Nationalsynode nach der zweiten Lesung im ökumenischen Kontext theologisch zu vertreten.

Bereits früher wurde allerdings – unabhängig von der konkreten Frage der Ehe für alle – der Umgang mit gleichgeschlechtlich liebenden Menschen in ökumenischen Dialogen thematisiert. So geschah es beispielsweise im Dialog mit der Mar-Thoma-Kirche und in der Christkatholisch-Römisch-katholischen Gesprächskommission. Während Homosexualität in der Mar-Thoma-Kirche abgelehnt wird, setzt sich diese Kirche und insbesondere ihr neuer Metropolit Theodosius sehr dafür ein, die Transgender-Community in der Kirche zu respektieren und willkommen zu heissen. Die ablehnende Haltung der römisch-katholischen Kirche zur Ehe für alle ist bekannt. Gleichzeitig ist auch den römisch-katholischen Mitgliedern der CRGK sehr bewusst, dass der pastoral-spirituelle Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren einer Lösung bedarf. Ebenso ist ihnen klar, dass das traditionelle Verständnis der christlichen Ehe in der heutigen Zeit auf dem Prüfstand ist.

Aus der Sicht von Bischof und Synodalrat können Kirchen miteinander in Gemeinschaft stehen, neu Gemeinschaft eingehen oder in bestehender Gemeinschaft bleiben, auch wenn sie in der Ehe für alle unterschiedliche Positionen vertreten und eine unterschiedliche Praxis pflegen. Dies deckt sich mit der Auffassung der Internationalen Bischofskonferenz, die die Kirchengemeinschaft durch unterschiedliche Praxis innerhalb der Kirchen der Utrechter Union, in der anglikanischen Kirchengemeinschaft und in der Kirche von Schweden nicht in Frage gestellt sieht.

13.2.3 Weiteres Verfahren nach der zweiten Lesung
Die erste Lesung zeigte eine deutliche Mehrheit für die sakramentale Ehe für alle in der Christkatholischen Kirche der Schweiz. Selbstverständlich können sich in der zweiten Lesung Veränderungen des Meinungsbildes ergeben; Bischof und Synodalrat rechnen aber nur mit geringfügigen Verschiebungen und haben daher den weiteren Weg geplant unter der Voraussetzung, dass die zweite Lesung im Ergebnis mit der ersten Lesung weitgehend übereinstimmt.

In Art. 22 Abs. 3 der Kirchenverfassung steht:

Nach Abschluss dieses Prozesses beschliesst die Nationalsynode im ordentlichen Verfahren, was aus ihrer Glaubensaussage folgen soll.

Das Verfahren zur Stellungnahme in Glaubensfragen hat keinerlei automatische Auswirkungen. Durch die Stellungnahme in Glaubensfragen wird die Ehe für alle weder eingeführt noch blockiert, sondern es wird eine Glaubensaussage festgehalten, welche die Basis für eine Entscheidung über die Einführung der Ehe für alle darstellt. Um die Ehe für alle in der Christkatholischen Kirche der Schweiz einzuführen, muss daher nach der zweiten Lesung der Stellungnahme für Glaubensfragen ein entsprechender Antrag gestellt werden. Über diesen wird in der Nationalsynode nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung debattiert und abgestimmt. Aufgrund der Kirchenverfassung und der Geschäftsordnung der Nationalsynode spricht nichts dagegen, diesen Antrag bereits auf der gleichen Synodesession zu stellen, wo die zweite Lesung durchgeführt wird.

Die Einführung der Ehe für alle erfolgt konkret, indem die Nationalsynode entsprechende liturgische Grundsätze festhält und liturgische Texte genehmigt, wie es gemäss Art. 15 Buchstabe e und f der Kirchenverfassung ihre Aufgabe ist. Um diesen Prozess zügig voranzutreiben, hat die Nationalsynode bereits vor einem Jahr den Bischof und die Liturgische Kommission beauftragt, entsprechende Texte auszuarbeiten. Diese liegen bereits vor und werden der Nationalsynode zur Genehmigung vorgelegt (s. u. 13.5).

13.3 Aussprache

Nach den Einführungsvoten von Bischof Dr. Harald Rein und Pfr. Dr. Adrian Suter ist die Nationalsynode zur Aussprache über den ganzen Themenkomplex eingeladen (mit Ausnahme des liturgischen Formulars, das unter 13.5 diskutiert wird).

13.4 Stellungnahme in Glaubensfragen, zweite Lesung

Bischof und Synodalrat legen der Nationalsynode folgende Glaubensaussage gemäss dem Verfahren zur Stellungnahme in Glaubensfragen (Art. 22 Verfassung) in zweiter Lesung vor:

Jede Segnung, die die Kirche einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe zwischen zwei Erwachsenen gleich welchen Geschlechts spendet, ist in gleicher Weise sakramental.

Die Geschäftsordnung der Nationalsynode hält in § 42 Ziffer 1 fest:

Bei Stellungnahmen in Glaubensfragen (Art. 22 der Verfassung) kann der aufgerufene Synodale mit Ja oder Nein antworten oder eine eigene Formulierung seiner Überzeugung zu Protokoll geben. Die Reihenfolge des Aufrufs zur Stellungnahme richtet sich nach der Reihenfolge der Synodalen im Protokoll.

13.5 Liturgische Formulare
(Referenten: Pfr. Thomas Zellmeyer, Pfr. Nassouh Toutoungi, Liturgische Kommission)

13.5.1 Antrag
Unter dem Vorbehalt, dass die zweite Lesung des Verfahrens zur Stellungnahme in Glaubensfragen im Ergebnis mit der ersten Lesung von der 154. Session der Nationalsynode 2021 in Thun weitgehend übereinstimmt, stellen Bischof und Synodalrat der Nationalsynode folgenden Antrag:

  1. In der Christkatholischen Kirche der Schweiz wird die Ehe zivilrechtlich verheirateter Paare unabhängig vom Geschlecht nach dem gleichen Ritus eingesegnet und in gleicher Weise in die Eheregister eingetragen.
  2. Das von der Liturgischen Kommission vorgelegte Formular «Einsegnung der Ehe» wird genehmigt und tritt in provisorischer Fassung zeitgleich mit der zivilrechtlichen Öffnung der Ehe für alle in der Schweiz in Kraft, das heisst am 1. Juli 2022.
  3. Die Liturgische Kommission wird beauftragt, innert zwei Jahren die definitive Fassung zu erarbeiten.
  4. Bischof und Synodalrat werden beauftragt, einen neuen Trauschein erarbeiten zu lassen und zu genehmigen.

Das unter Punkt 2 genannte liturgische Formular ist diesem Dokument als Anhang beigefügt.

13.5.2 Begründung
Da mit der zweiten Lesung die Haltung der Nationalsynode klar ist, soll die Ehe für alle gleichzeitig mit dem staatlichen Inkrafttreten auf den 1. Juli 2022 auch in der Christkatholischen Kirche der Schweiz praktisch möglich sein. Damit ist die Gleichbehandlung gegeben und ein deutliches Zeichen gesetzt, dass es der christkatholischen Kirche mit ihrer offenen Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften auch in geistlichen und sakramentalen Belangen ernst ist.

Das vorliegende liturgische Formular ist voll gebrauchsfähig. Rückmeldungen der Pastoralkonferenz konnten darin berücksichtigt werden. Doch zeigte die Arbeit am Formular und die Rückmeldungen, dass einzelne Feinheiten noch zusätzlicher Überlegungen bedürfen, bevor sie definitiv festgeschrieben werden. Auch benötigt das Formular eine sakramententheologische Einleitung. Es ist zeitlich nicht möglich, beides noch vor der Synodesession zu schaffen.

Deswegen beantragen Bischof und Synodalrat die Inkraftsetzung «in provisorischer Fassung». Das bedeutet: Das liturgische Formular ist in Kraft und kann sofort verwendet werden, wird aber in den nächsten Jahren aufgrund der Rückmeldungen der Internationalen Bischofskonferenz und unter Berücksichtigung der damit gemachten Erfahrungen noch weiterentwickelt. Es ist Bischof und Synodalrat wichtig zu betonen: Es ist die Textfassung, die provisorisch ist, nicht die Inkraftsetzung. Das liturgische Formular bleibt so lange in Kraft, bis die definitive Fassung vorliegt, die dann wiederum von der Nationalsynode genehmigt wird.

Zur Umsetzung der Ehe für alle gehören auch die Gleichbehandlung bei der Eintragung in die kirchlichen Eheregister und ein neuer Trauschein. Ersteres kann sofort umgesetzt werden, der Trauschein muss noch erarbeitet werden. Er wird von Bischof und Synodalrat genehmigt, nicht von der Nationalsynode.

Dieses Dokument wurde im Auftrag von Bischof und Synodalrat von Pfr. Dr. Adrian Suter verfasst und von Bischof und Synodalrat am 12. April 2022 bereinigt und genehmigt.