Wüstenzeit

«Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht.» (Deuteronomium 8, 3b)

Das Volk Israel wird auf seiner Wanderung aus der Sklaverei hin ins Gelobte Land, das Fülle und Wohlergehen verspricht, von Gott 40 Jahre durch die Wüste geführt. Es erlebt während dieser Wüstenzeit Entbehrungen: Neben Hitze und Kargheit, die ihnen zu schaffen machen, fehlt es am Allernötigsten, an Wasser und Brot. Ihre Existenz ist in Frage gestellt, wäre da nicht Gott, der immer wieder heilbringend zu Gunsten seines Volkes eingreift, sie auf ihrem Weg ermutigt und mit dem Allernötigsten versorgt. Dies nicht auf Vorrat, sondern Tag für Tag. Die Wüstenzeit wird so für Israel zu einer Schule des Vertrauens auf Gott, in der das Volk lernt, dass sein Fortbestehen nicht von äusseren widrigen Umständen abhängt, sondern allein von Gottes Verheissungen und seiner Güte.

Auch wir gehen in unserem Leben durch Wüstenzeiten: Zeiten der Entbehrung und des Mangels; Zeiten, in denen sich die Normalität verflüchtigt und der Alltag nur noch unter erschwerten Bedingungen zu meistern ist; Zeiten, in denen wir ganz auf uns zurückgeworfen sind. Neben ihrer Herausforderung bergen solche Zeiten die Chance, sich auf das zurückzubesinnen, was im Leben wirklich trägt, was uns im Kern als Menschen ausmacht: die Beziehung zu Gott, unserem Schöpfer, und zu unseren Mitmenschen. Wenn wir Gott und den Mitmenschen in unserem Leben Raum und Vertrauen schenken, wird unsere Seele genährt und unsere Lebenskraft gestärkt. Wir dürfen wie das Volk Israel erfahren, dass Leben mehr ist als das, was sich von aussen aufdrängt. Und dass es sich auch in guten Zeiten lohnt, diese beiden Beziehungen nicht zu vernachlässigen.

Sarah Böhm-Aebersold