Zu den 20 Prozent gehören

Ehe für alle: Reaktionen auf die Stellungnahme des Bischofs und das weitere Vorgehen

Mit grossem Interesse haben wir im letzten Christkatholisch die Stellungnahme von Bischof Rein zu der Ehe für Alle in der christkatholischen Kirche gelesen. Auf drei Punkte möchten wir in diesem Leserbrief eingehen.

Bischof Rein hat in seiner Stellungnahme betont, er wolle darauf hinwirken, dass die Frage, wie gleichgeschlechtliche Paare in unsere Kirche in Zukunft gesegnet/getraut werden sollen, zu einer Glaubensfrage erklärt werde. Sollte ihm das gelingen, so wird ein Entschluss zum Ehesakrament für gleichgeschlechtliche Paare auf Jahre verzögert und die Besprechung der Frage wird vom Plenum vorerst an ein (kleines) Gremium von Theologen abgegeben.
Wir sind aus drei Gründen gegen dieses Verfahren. In der bisherigen Diskussion hat sich die Kirche Mühe gegeben, die LGBT-Community um ihre Meinung zu fragen und ihr zu zuhören. Wenn die gleichgeschlechtliche Ehe eine Glaubensfrage wäre, riskieren wir, diese Stimmen nicht mehr zu hören. Wir grenzen damit genau die Menschen aus, die am meisten von der Frage betroffen sind.

Die Diskussion an der Sondersynode hat ein deutliches Resultat ergeben. Die überwältigende Mehrheit hat sich für das «Modell Krebs» ausgesprochen. Würde die Diskussion jetzt von der Theologie ganz neu angefangen, würden dieses Resultat, und damit unsere Kirchgemeindemitglieder, nicht ernst genommen. Wenn überhaupt, dann hätte das Bestreben, die Frage wie eine Glaubensfrage zu behandeln, spätestens an der Synode im Juni 2019 aufgebracht werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt wussten Bischof und Synodalrat schon ein ganzes Jahr lang, dass das Thema gleichgeschlechtliche Ehe in unserer Kirche diskutiert werden soll. An dieser Synode im Jahr 2019 wurde beschlossen, wie der Diskussionsprozess zum Thema aussehen soll. Dies wäre der Moment für den Entscheid gewesen, das Thema als Glaubensfrage zu behandeln. Jetzt, 16 Monate später, diese Frage aufzuwerfen, sieht für uns nach Verzögerungstaktik aus. Das mag für nicht betroffene Menschen vielleicht nicht schlimm klingen, aber für die Angehörigen in unserer Kirche, die Teil der LGBT-Community sind, bedeutet dies weitere Jahre der Diskriminierung.

Das Hinauszögern einer Entscheidung ist aber noch aus anderen Gründen keine gute Idee. Bischof Rein schreibt in seiner Stellungnahme, dass wir genügend Zeit haben, schliesslich hat die Corona-Pandemie nicht nur unseren, sondern auch den Diskussionsprozess von allen anderen Kirchen verzögert. Diese Argumentation ignoriert, dass das Resultat an der Synode klar gezeigt hat, dass die christkatholische Kirche federführend sein soll bei der internationalen Diskussion. Ein Zwischenbericht, anstelle eines klaren Entscheides, verhindert jede führende Rolle, die unsere Kirche einnehmen könnte. Ausserdem ist es durchaus möglich, dass die Schweiz im Jahr 2021 über die Ehe für Alle auf gesetzlicher Ebene abstimmt. Spätestens im Abstimmungskampf sollte die christkatholische Kirche gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren, die sich in der christkatholischen Kirche trauen wollen, ihre Haltung bekannt machen können.

Leserreaktion auf die Stellungnahme des Bischofs zu «Ehe für Alle»: Wird da ein Votum auf den Kopf gestellt?

Der dritte Aspekt, auf den ich hier eingehen will, ist die Ausführung des Bischofs, warum er «Modell Ring» bzw «Modell von Arx» befürwortet. Die Ausführung besteht aus Argumenten, die er aus den Referaten zu den Modellen nimmt und gewichtet. Speziell meint Bischof Rein, dass für ihn das Ehesakrament an die natürliche Weitergabe des Lebens geknüpft ist. Alle diese Argumente und ganz besonders die Beziehung zwischen Ehe und Fruchtbarkeit wurden an der Sondersynode eingehend diskutiert und entweder widerlegt (wie im Falle der Fruchtbarkeit) oder als nicht stichhaltig verworfen. Dieser Diskussionsprozess wie auch alle Gegenargumente wurden niedergeschrieben. Das daraus entstandene Material ist für den Bischof einsehbar. Es ist schade, dass Bischof Rein sich nicht die Mühe gemacht zu haben scheint, sich mit den bereits erfolgten Diskussionen auseinander zu setzen. So konnten wir von ihm nur die unverarbeiteten Argumente noch einmal lesen.

Letztlich möchte ich noch auf die Zahl in der Aussage «80% aller Christ/innen auf der Welt sehen das so» eingehen. Bischof Rein meint, 80% aller Christinnen und Christen glauben, dass eine Ehe nur dann eine kirchliche Ehe genannt werden kann, wenn sie zwischen Mann und Frau besteht. Wir haben versucht, diese Zahl nachzuvollziehen, versucht sie in irgend einer Umfrage oder einer Statistik zum Christentum weltweit zu finden. Es ist uns nicht gelungen. Aufgrund der weltweiten Situation der gleichgeschlechtlichen Ehe in mehrheitlich christlich geprägten Ländern (Westeuropa, Nord- und Südamerika, etc.), ist diese Zahl für uns unverständlich. Mindestens in unserer Kirche, laut Resultat der Sondersynode, sind die Zahlen genau umgekehrt. Doch selbst wenn wir davon ausgehen, dass von allen Christinnen und Christen weltweit nur 20% die Ehe nicht so definieren, dass nur 20% gleichgeschlechtliche Paare trauen wollen, warum wäre das für uns wichtig? Die christkatholische Kirche darf sich in ihren Überzeugungen von anderen Christen unterscheiden. Wir als Kirche können und wollen uns dafür entscheiden, zu den «20%» zu gehören.

Zentralvorstand der christkatholischen Jugend der Schweiz, vertreten durch Aischa Amrhein (Bern).
Mit Unterstützung von: Beatrice Amrhein (Bern), Heidi Briel (Zürich), Silvia Fridlin (Zürich), Angelika Hiller (Zürich), Daniel Moser (Olten), Franz-Othmar Schaad (Grenchen), Sebastian Schräder (Oberglatt), Jakob Winiger (Olten), Christoph Janser (Bern), Marcel Blickensdorfer (Kiental), Patrick Zihlmann (Kiental), Frank Bangerter (Zürich)


Die CKJS verschickt jeder Person und Kirchgemeinde, die ihre Unterstützung für die gleichgeschlechtliche Ehe in der christkatholischen Kirche zeigen will, regenbogenfarbene Buttons, dargestellt im Bild. Um einen oder mehrere Buttons zu bestellen, schreibe eine Mail an zv@ckjs.ch, wir freuen uns über jeden verschickten Button.