Geschichte unserer Kirchen

Das Glockengeläut der Christkatholischen Stadtkirche zu St. Martin in Rheinfelden

„Genau das ist für mich der Klang Rheinfeldens!“, meinte ein Bekannter, als die grösste der Glocken im Turm der Christkatholischen Stadtkirche zu St. Martin in Rheinfelden, die „Hosianna“, wieder zur Ruhe kam. Im Stedtli aufgewachsen, kennt er den Klang dieser Glocke seit seiner Kindheit. Beeindruckt von der Klanggewalt und Schwungkraft dieser 1539 neugegossenen Glocke standen wir neben ihr; soeben hatten wir aus nächster Nähe das Freitagsläuten erlebt.

Jeder weiss, dass Kirchenglocken mit ihrem Geläut zu den Gottesdiensten rufen und dass jede Viertelstunde mit dem Glockenschlag der Fluss der Zeit akustisch angezeigt wird. Aber da ist ja noch mehr; und wenn man hört, dass die Glocken der St. Martinskirche auch zu anderen Zeiten läuten, mag man sich fragen, was sie damit anzeigen wollen und worauf dieses Geläut zurückgeht. Wer dies genauer erkunden will, muss einige alte Quellen und Schriften lesen[1]; da gibt es einiges zu entdecken. Bemerkenswert sind da vor allem die drei Glockenzeichen mit besonderem lokalgeschichtlichen Hintergrund:

– Jeden Donnerstag, nach dem abendlichen Betzeit-Läuten, erklingt die grosse „Hosianna-Glocke“ zum Angst-Christi-Läuten. Als nach Ende des 30jährigen Kriegs und nach 17jähriger Besatzung durch schwedische, französische und österreichische Truppen die letzten Besatzer am Mittwoch, 19. Oktober 1650 endlich aus Rheinfelden abrückten, beschloss der Stadtrat, zukünftig jeden Donnerstag des ersten befreiten Tages zu gedenken und durch Glockengeläut dankbar an diese Erleichterung zu erinnern. Seitdem ist dieses Zeichen offenbar ohne Unterbruch geläutet worden. Die „Hosianna-Glocke“ erhielt durch diesen Brauch auch die Namen „Schwedenglocke“ und „Friedensglocke“.

– Jeden Freitag um 11.00 Uhr läutet ebenfalls die „Hosianna-Glocke“ zum Leiden-Christi-Läuten. Dieses Zeichen geht zurück auf ein Mandat von König Ferdinand I., der angesichts von Bedrohungen durch Seuchenzüge und Kriegsgefahr am 25. Januar 1538 verfügte, in jeder Pfarrei solle jeweils am Freitag, dem Wochentag der Kreuzigung Jesu Christi, mittags durch ein besonderes Geläut des Leidens Christi gedacht und damit zu ernstem, sittenreinem Lebenswandel und fleissigem Kirchgang aufgefordert werden. Ob dieses Läuten in Rheinfelden auch umgehend eingeführt wurde, ist nicht ganz sicher (die „Hosianna-Glocke“ wurde 1539 zum drittenmal neu gegossen); möglicherweise steht es auch im Zusammenhang mit der Pest, die 1540 in Rheinfelden wütete sowie mit der 1541 entstandenen Sebastiani-Bruderschaft. Sicher ist hingegen, dass auch dieses Zeichen bis zum heutigen Tag regelmässig geläutet wird.

– In der Fastenzeit von Aschermittwoch bis zum Hohen Donnerstag ertönt täglich um 15.45 Uhr die viertgrösste, die „Mette-Glocke“, zum Fasten-Läuten. Diese Glocke war die einzige der fünf, die nicht der Stadt, sondern dem Stift gehörte und damals die Chorherren zum Stundengebet rief. Heute ist sie den Rheinfeldern zur Verkündigerin des Frühlings geworden.

Neben diesen besonderen Glockenzeichen wechseln sich dreimal täglich vier verschiedene Glocken zum Betzeit-Läuten ab, am Sonntagmorgen erklingt dafür das volle Geläut der drei grössten Glocken. Die zweitgrösste der fünf Glocken im Turm der Stadtkirche, die „Salve-Glocke“, ist besonders bemerkenswert: Sie wurde 1350 gegossen und ist damit die älteste datierte Glocke im Kanton Aargau. Seit 1958 resp. 1980 werden Uhrwerk und Glockengeläut elektrisch betrieben; das regelmässige Geläut ist programmiert und folgt automatisch. Viele Rheinfelder können davon berichten, wie sie früher selber mithalfen, die Glocken von Hand zu läuten.

Nicht im Voraus programmieren lässt sich das Sterbegeläut, das heute per Funk von der Stadtkanzlei aus in Betrieb gesetzt wird: Wann immer in Rheinfelden jemand gestorben ist, zeigt dies das Geläut des „Sterbeglöckleins“, der kleinsten der fünf Glocken, der Bevölkerung an. Davon zu unterscheiden ist das Grabgeläut mit der „Hosianna-Glocke“, das stets dann erklingt, wenn auf dem Friedhof in Rheinfelden jemand zu Grabe getragen wird. Dass sowohl Todesfall wie Bestattung durch die Glocken der St. Martinskirche verkündet werden, egal, welcher Konfession der Verstorbene angehört, zeigt die besondere Stellung der St. Martinskirche als Rheinfelder Stadtkirche. Der Brauch des Grabgeläuts wird bereits 1627 in den Statuten des Stifts zu St. Martin lobend erwähnt und muss also damals schon sehr lange üblich gewesen sein. Dieser Jahrhunderte alte Brauch ist im September des vergangenen Jahres mindestens vorübergehend und aus technischen Gründen abgeschafft worden.

Peter Grüter, Stadtpfarrer


Die Kirche St. Gallus ist die nach dem heiligen Gallus benannte christkatholische Kirche von Kaiseraugst

Das heutige Gotteshaus steht auf den Fundamenten einer Kirche, die als eines der ältesten christlichen Gotteshäuser der Schweiz überhaupt gilt. Unterhalb der Kirche ist in das Ufer des Rheins ein römisches Baptisterium aus dem 4. oder 5. Jahrhundert eingebaut. Die Lage der Kirche im alten Dorfzentrum über dem Rhein liegend, ist einmalig schön. Der Kirchturm stammt aus dem 14. Jahrhundert, der barocke Innenraum wurde zwischen 1736 und 1750, also während in Wien Maria-Theresia regierte, völlig neu gestaltet. Um 1776 schuf der Rheinfelder Maler Döbelin den heutigen Hochaltar und die beiden Seitenaltäre. Seit vielen Jahren ist die Kirchturmspitze von einem Storchenpaar bewohnt.

Die St. Martinskirche ist nach dem heiligen Martin von Tours benannt und ist als ursprüngliche Stadtkirche seit 1873 die christkatholische Kirche von Rheinfelden

Urkundlich wird die Kirche erstmals 1146 erwähnt, als Abt von Cluny, Bernard de Clairvaux, zum Zweiten Kreuzzug aufrief und Männer von Rheinfelden dafür rekrutierte. 1228 erlaubte Bischof Heinrich II. von Basel die Gründung eines Chorherrenstifts, und die St. Martinskirche wurde zur Stiftskirche.

Im zweiten und letzten Drittel des 14. Jahrhunderts (ca. 1335) erfolgte ein gotischer Neubau der Kirche, dem das gesamte Mauerwerk der ursprünglich romanischen Basilika zum Opfer fiel.
Im 15. und 16. Jahrhundert gab es Veränderungen: Die Sakristei wurde verlegt, der Turm erhöht, die Glocken umgehängt und ein Neubau der Orgel erfolgte.

1669-1676 gab es eine Teilerneuerung, diese betraf das Chorgewölbe und den Lettner, Chororgel und den Turm. Bereits 1629 bekam der Turm eine neue Haube aus Kupfer mit Hahn – so wie es damals dem Zeitgeschmack entsprach.

Wesentliche Veränderungen gab es 1769 bis 1771 (Regierungszeit von Maria Theresia) mit einer durchgreifenden Barockisierung im Inneren durch den aus dem Vorarlberg stammenden und in Rheinfelden wohnhaften Stuckateur Johann Martin Fröwis. Die Gewölbefresken wurden vom Rheinfelder Maler Franz Fidel Bröchin angebracht. Der ebenfalls einheimische Bildhauer Michael Acklin versah das Chorgestühl der Brüder Kümmeli mit Schnitzdekor. Zum Ende bekam die Chororgel einen neuen Standort hinter dem nun freistehenden Kreuzaltar.

In dem 19. und 20. Jahrhundert wurde nichts mehr gross verändert. Man konzentrierte sich auf mehr oder weniger umfangreiche Sanierungen. Die erste fand in den Jahren 1887/88 statt und zwar unter dem Aargauischen Kantonsbaumeister Karl Ferdinand Rothenpletz. Die zweite und umfangreichere Sanierung wurde durch den ortsansässigen Architekten Heinrich A. Liebetrau in den Jahren 1921-1924 durchgeführt.

1870 wurde das Chorherrenstift aufgehoben und 1873 beschloss die Gemeindeversammlung mit „allen gegen eine Stimme“, die neuen Papstdogmen des Ersten Vatikanischen Konzils nicht anzunehmen. Die Kirche ging an die später „christkatholisch“ genannte Kirchgemeinde über.

Die Rheinfelder Stadtkirche St. Martin beherbergt neben einem Kirchenschatz einige kunsthistorisch sehr wertvollen Schätze – so hängt in der Fastenzeit (von Aschermittwoch bis Karfreitag) jeweils über dem Hochaltar ein Hunger- oder Fasten- Tuch. Es gibt in ganz Europa nur noch wenige Kirchen, die über ein solches Original-Tuch verfügen. Aber auch die sehr umfangreiche und wertvolle Sammlung an Paramenten macht diese Kirche zu einem wertvollen Juwel des Fricktals.

14. Mai 2014. Robert Conrad

weitere Informationen unter: http://www.stmartinskirche.ch