Priesterlicher Dienst als Berufung Bericht aus der NFZ
05. Juli 2024
Hannah Audebert machte ihre Interessen zum Beruf
Hannah Audebert ist eine herzliche Menschenkennerin und leidenschaftliche Gottsucherin. Seit März arbeitet sie im christkatholischen Pastoralteam im Gemeindeverband Fricktal. Man trifft sie also dem Rhein entlang von Kaiseraugst bis Stein, in Magden, im Wegenstetterund Fischingertal.
Hans Zemp
FRICKTAL. Gott faszinierte Hannah Audebert schon immer. Sie erlebte ihre Jugendzeit in einer Grossfamilie in Niederbayern. Hier hatte sie als Kind zusammen mit ihren sechs Geschwistern viel Gelegenheit, Spezielles der Natur zu entdecken und sie ist der Meinung, dass sie die ländliche Umgebung sicher auch geprägt habe.
Zwei prägende Ereignisse in der Jugendzeit weckten in ihr, neben weiteren Vorkommnissen, die Frage nach Gott. Einerseits starb ihr bester Freund an Krebs – dies löste bei ihr die Frage aus: «Gibt es einen Gott, der so etwas zulässt.» – andererseits öffnete die lebendige Jugendarbeit in der Pfarrei ihr die Augen für die Bereiche Gemeinschaft, Einsatz für die Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Dies alles weckte in Hannah Audebert die Neugier nach mehr und löste schliesslich den Entscheid aus, Theologie zu studieren. Ihren Diplomabschluss erarbeitete sich die junge Frau in ihren Studiengängen in München und ein Jahr in Freiburg in der Schweiz. Die praktische pastorale Ausbildung absolvierte sie in einer Landpfarrei bei Rosenheim. In dieser Zeit stellte Hannah Audebert fest, dass der priesterliche Dienst wirklich ihre Berufung ist.
Das Predigtverbot verstand sie nicht
Als nicht geweihte Priesterin und erst noch als Frau verwehrte ihr die römisch-katholische Kirche das Predigen in der Kirche und führte zum Entscheid, der Ordensgemeinschaft der «Kleinen Schwestern Jesu» beizutreten, um ob verschiedener Verbote nicht zu verbittern. Nun lebte, arbeitete und betete sie in Deutschland, Österreich und Marokko in kleinen Gemeinschaften «ganz nahe bei den Menschen am Rand der Gesellschaft.» Eine harte, aber wichtige Zeit. Nach sieben Jahren war wieder ein Aufbruch angesagt. Sie wollte die Priesterberufung leben. Und weil das in der römisch-katholischen Kirche nicht möglich ist, war sie die nächsten 15 Jahre Gymnasiallehrerin und Schulpsychologin.
Während der Corona-Zeit begab sich Hannah Audebert auf den Jakobsweg kam aber nur bis nach St. Gallen. Die Erkenntnis, dass in der Schweiz die katholische Kirche offener ist, führte schliesslich dazu, dass sie den Lehrerberuf an den Nagel hängte und als Seelsorgerin nach Rheineck zog und anschliessend am Dom und der Klinik in St. Gallen wirkte. Vieles war gut. Doch ihre Berufung war «immer noch wie ein Licht unter dem Eimer.»
Zu dieser Zeit entdeckte Hannah Audebert die ausgeschrieben Stelle der Christkatholiken im Fricktal. «Es war Liebe auf den ersten Blick», meint sie mit leuchtenden Augen. Um als christkatholische Priesterin geweiht und anschliessend installiert werden zu können, braucht die ausgebildete Theologin noch christkatholische Ergänzungsstudien. Die anvisierten Weihen sollten «so Gott und die Kirche wollen» noch in diesem und im nächsten Jahr erfolgen können.
Herzlich und bodenständig
Sie habe die Leute im Fricktal als herzlich und bodenständig kennen gelernt. Man könne sehr schnell Kontakte knüpfen. Sie sei im Pastoralteam mit offenen Armen empfangen und ernst genommen worden. «Mit so wunderbaren Menschen im Team arbeiten zu dürfen, ist ein echtes Geschenk und eine Chance für fruchtbares Wirken», sagt sie dazu. «Der kirchliche Glaube ist verdunstet. Doch, was verdunstet ist, liegt in der Luft», weiss Hannah Audebert. Es ist für sie wichtig, dass das Evangelium gelebt wird. Sie sieht ihre Aufgabe denn auch darin, die Spuren Gottes im Leben der Menschen zu entdecken und die Gegenwart Gottes im Gottesdienst zu finden.
Auf die Frage, wie dem stetig voranschreitenden Verlust des Bereichs Religion entgegen gewirkt werden kann, ist die Theologin der Überzeugung, dass Sachen zu Ende gehen dürfen und Neuem Platz schaffen. «Es ist die österliche Hoffnung, dass die Botschaft Jesu immer wieder aufersteht.» Die Kirche kann auch zu den Menschen gehen, wenn die Menschen nicht mehr in die Kirche kommen. Die Solidarität werde in Zukunft an Bedeutung gewinnen. «Eine Solidarität mit den Vergessenen unserer Gesellschaft, eine Solidarität auch mir folgenden Generationen. Und oft wird auch im Gespräch mit reichen Leuten deutlich, dass Fragen nach Sinn im Leben auf kommen und nach Antwort rufen», ist ihre Erkenntnis. Hier zu begleiten sei eine wichtige Aufgabe der Seelsorge, ist sie weiter überzeugt.
Und die Ökumene
Die Zukunft der christlichen Kirchen muss nach Hannah Audebert auf gleicher Augenhöhe gelebt werden. Die gegenseitige Wertschätzung sei wichtig. Dies ist auch der Grund, warum sich Hannah Audebert in der christkatholischen Kirche am wohlsten fühlt. Die Theologin ist davon überzeugt, dass jeder Mensch, egal in welcher sozialen Schicht er lebt, von Gott geliebt wird. Dies zeige, dass es kein wertloses Leben gebe.
An den Strukturen der Kirche bei uns freut sie besonders, dass die christkatholische Kirche synodal demokratisch, für alle offen ist und die Dynamik des Auf bruchs hin zu einer gemeinsamen Pfarrei im Fricktal geht. Gemeinsam soll man gestalten und unterwegs sein. Ganz besonders freut sich Hannah Audebert auf den Kontakt mit den Menschen, die Begleitung der Kranken und Sterbenden und auf die Arbeit mit Mitmenschen, die den Weg zur Kirche nicht mehr so intensiv pflegen.
Aber auch die Natur, das Biken und Wandern und neuerdings wieder das Inlineskaten lassen das Herz der neuen Theologin im Unteren Fricktal das höher schlagen. Weitere Interessengebiete sind Musik
– besonders klassische – und Machmusik mit Akkordeon und Gitarre sowie Chor. Lokale Geschichte findet sie total spannend. Zusammenfassend meint sie: «Es passt, dass ich in der Seelsorge ein alter Hase bin, aber im geistlichen Amt in der christkatholischen Kirche ein frisch geschlüpftes Küken.»