Der tiefe Blick des Glaubens

«In diesem Augenblick nun trat Hanna hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.» (Lukas 2, 38)

Josef und Maria bringen ihr Kind in den Tempel, um die vom Ge-setz vorgeschriebenen Opfer darzubringen, so wie täglich viele Eltern. Und doch fällt die Familie Simeon und Hanna auf. Er ein alter, frommer und gerechter Mann. Sie eine hochbetagte Witwe, die ihre Tage mit Fasten und Gebet im Tempel zubrachte. Zwei alte Menschen, die im Tagesgeschäft des Tempels nicht weiter wahrgenommen wurden. Sie hatten schon vieles erlebt und konnten auf viele Erfahrungen zurückblicken.

Und nun, am Ende ihres Lebens angelangt, tut sich vor ihnen ungeahnt Neues auf: der Anblick dessen, auf den sie so lange sehnlichst gewartet haben. Ihre Augen des Glaubens sehen in die Tiefe und entdecken in dem so unscheinbaren Neugeborenen den lang ersehnten Erlöser, das Licht und Heil der Welt. Dieser Anblick lässt beide in Lobpreis ausbrechen. Sie können ihre Worte über dieses wunderbare Kind nicht zurückhalten und werden so zum Zeugnis für die um sie Herumstehenden und auch für uns. Auch unter uns mögen sich vielleicht etliche alt, einsam und unbeachtet fühlen.

Doch Simeon und Hanna machen Mut, dass es selbst in hohem Alter nicht zu spät ist, mit Gott Grosses zu erleben, zu einem tieferen Blick des Lebens zu finden. Ihre Geschichte ist aber ebenso eine Botschaft an uns Jüngere, die Älteren für ihre Lebens- und Gotteserfahrung zu schätzen und ihnen auch in hohem Alter noch Grosses zuzu-trauen. Und uns so im Blick auf sie zu einem neuen, tieferen Blick anleiten zu lassen. Einem Blick, der im Alltag immer wieder neu die Spuren unseres Erlösers entdeckt.

Sarah Böhm-Aebersold