O Heiland, reiss die Himmel auf!

«Der Prophet bittet Gott: Reiss doch den Himmel auf, und komm herab, so dass die Berge zittern vor dir.» (Jes 63,19b)

Es ist wieder Advent! Die Kerzen auf dem Adventskranz werden entzündet, ihr Licht sorgt für eine warme und behagliche Stimmung. Die Türchen von Adventskalendern werden geöffnet, und in unseren Wohnungen duftet es wieder herrlich nach Weihnachtgutzli. Was für eine selige Zeit!
Es ist keine Frage: Menschen brauchen solche Momente der Adventsidylle. Geborgenheit, Wärme, Licht und Freude spüren zu können, ist etwas ungemein Wichtiges.

Die adventlichen Texte der Bibel aber sprechen eine andere Sprache, drücken eine ganz andere Sehnsucht aus. In diese Zeit der Kriege und Krisen, in eine Zeit, in der Menschenverachtung vielerorts diese Welt geradezu beherrscht, scheint mir diese Sehnsucht gut hineinzupassen.
Es ist diese tiefe Sehnsucht nach dem machtvollen Eingreifen Gottes in dieser Welt, eine Sehnsucht von der nicht nur Jesaja sondern auch viele Adventslieder in kraftvollen Bitten sprechen so etwa eben «O Heiland reiss die Himmel auf». Diese Worte und Lieder machen deutlich: Advent ist nicht harmlos-kuschelig. Advent ist vielmehr die Hoffnung auf ein machtvolles Kommen Gottes, der dieser Welt endlich Frieden und Gerechtigkeit bringen wird. Ein solches Kommen Gottes wird sogar die Berge zittern lassen – wie erst recht die vermeintlich Mächtigen und Grossen dieser Welt.

Dieser Advent, diese Ankunft Gottes, ist noch nicht gekommen. Der wirkliche Advent Gottes in Macht steht noch aus. Seine erste Ankunft in dieser Welt geschah in Niedrigkeit und Armut. Aber gerade das wehrlose Kind in der Krippe kann in uns die Sehnsucht danach wachhalten, dass Gott machtvoll in diese Welt treten wird. Dann wird endlich Friede sein. Und der Himmel wird uns offenstehen.

Thomas Zellmeyer