Christkatholisch- was ist das?

Der andere Katholizismus

Die Verfassung der Christkatholischen Kirche betont das gleichwertige Gegenüber von Geistlichen und Laien. Das zeigt sich auf Gemeindeebene darin, dass Pfarrer oder Pfarrerin und Kirchenrat gemeinsam die
Leitungsfunktion innehaben.
Auf Bistumsebene ist es das Gegenüber von Bischof und Synode, resp. dem Synodalrat. Diese Struktur nennen wir bischöflich-synodal.

Dieser Doppelbegriff zeigt auf, dass die Leitungsstruktur sowohl das Moment der traditionellen Kirchenämter wie auch moderne demokratische Formen enthält. Die einzelnen Gläubigen und die Kirchgemeinden werden als tragende Elemente der Ortskirche gesehen; sie sind in die Entscheidungsprozesse einbezogen.

Auch so ist die christkatholische Konfession definitiv katholisch. Das dreifstufige geistliche Amt (Episkopat, Presbyterat und Diakonat) und die klassischen Sakramente gehören zu den Merkmalen. Aufgrund der synodalen Struktur war es aber möglich, das geistliche Amt für Frauen zu öffnen und die kirchliche Ehe für Alle einzuführen.

Der Grund für die Entstehung

Die Altkatholischen Kirchen – in der Schweiz ‘christkatholisch’ genannt – sind eine Abspaltung, die sich vor rund 150 Jahren vor allem in Westeuropa ereignet hat. Die Trennung war die Folge des 1. Vatikanischen Konzils von 1870, an welchem die Machtkonzentration in der katholischen Kirche ihren Höhepunkt fand mit zwei Glaubenssätzen, die zu allgemein verbindlichen Dogmen erhoben wurden. Es sind dies die Unfehlbarkeitslehre, wonach der Papst als oberster Herr des Lehramts unfehlbare Entscheidungen treffen kann, und der Jurisdiktionsprimat, welcher dem Papst die Stellung als rechtliches Haupt in jedem Bistum der Welt zuschreibt.

Die beiden Dogmen riefen grossen Widerstand hervor, insbesondere in deutschsprachigen Ländern und bei wissenschaftlich geschulten Theologen. Die Gegner sprachen davon, dass damit eine neue Kirche geschaffen würde und dass sie in der alten katholischen Kirche verbleiben wollten, darum die Bezeichnung ‘altkatholisch’.

Wer sich nicht unterwarf, wurde exkommuniziert. Aus diesen Kreisen sammelten sich die Gegner und bildeten in der Folge eine eigene Kirchenorganisation, die altkatholischen/christkatholischen Gemeinden und Bistümer.

Vorbild Alte Kirche

Die altkatholischen Kirchen berufen sich auf die Alte Kirche, und meinen damit den Zustand der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends, d.h. bevor die Spaltung in Ost- und Westkirche vollzogen wurde. Gemäss damaliger Auffassung ist jedes Bistum eine Ortskirche, d.h. die vollständige und autonome Kirche an Ort. Das Bischofsamt wird als Amt der Einheit verstanden, und die Einheit wird v.a. dann sichtbar, wenn eine Bischofswahl den Nachbarbistümern angezeigt wird (und nicht zur Genehmigung vorgelegt!) und die Bischofsweihe durch mindestens drei amtierende Bischöfe vorgenommen wird.

Die derart gelebte Einheit ist eine Einheit in der Vielfalt, denn die Bistümer haben ihre jeweiligen örtlichen Traditionen. Einheit wird eingefordert in Sachen der Glaubenslehre, der geistlichen Ämter und der Gottesdienstordnung.

In allen wesentlichen Fragen wird die Entscheidung an Kirchenversammlungen getroffen, das bedeutet in regionalen Synoden oder in übergeordneten Fragen in weltumspannenden ökumenischen Konzilien.

Entwicklungen im Laufe der Zeit

Der Bischof von Rom war der einzige Patriarch im Westen, blieb als solcher aber den allgemeinen Konzilien genauso unterstellt wie die vier Patriarchen des Ostens. Seit Ende des 4. Jahrhunderts begannen die römischen Päpste weitergehende Machtansprüche zu stellen. Papst Leo I. (5. Jh.) verkündete zum ersten Mal, dass – genauso wie die Apostel ihre Vollmacht von Petrus erhalten hätten -, die Bischöfe ihre kirchliche Gewalt vom Papst empfingen. Schon seit da war die Zentralisierung und Romanisierung der ganzen Kirche das Ziel. Im Hochmittelalter ging der Anspruch bis zum Punkt, dass auch die weltlichen Herrscher ihre Gewalt von Gott her und mit Genehmigung des Papstes hätten (Investiturstreit).

Praktisch alle Kirchenspaltungen kamen zustande, wenn sich beträchtliche Teile der Kirche wegen der Machtansprüche der Päpste von ihnen lossagten. Die grössten Spaltungen ereigneten sich zwischen Ost- und Westkirche (11. Jh.) und in der reformatorischen Zeit (16. Jh.), als sich Protestanten und die Kirche von England verselbständigten. Auch viele begrenzte Reformbewegungen beschäftigten sich mit den Fehlentwicklungen in der katholischen Kirche.

Die erste von Rom unabhängige katholische Kirche entstand im 18. Jh. in den Niederlanden. Die um den Erzbischof von Utrecht gruppierte Kirche hatte sich eine recht grosse Unabhängigkeit bewahrt. In den Wirren der Reformationszeit war die katholische Kirche unterdrückt worden, konnte aber trotz aller Beschränkungen weiterleben, zum Teil in sogenannten Versteckkirchen. Um eine romtreue Kirche in Holland zu etablieren wirkten die Jesuiten, die eine neue Kirche anstelle derjenigen um den Sitz von Utrecht aufzubauen suchten.

Nach der Absetzung des unter „Jansenismus“-Verdacht stehenden Erzbischofs Peter Codde wählte das Domkapitel von Utrecht unter Wahrung seiner alten Rechte 1723 einen Nachfolger in Cornelius Steenoven. Dessen Wahl wurde wie üblich dem Papst angezeigt, dieser verweigerte aber die Zustimmung. Die Utrechter Kirche beharrte auf ihren alten Rechten und liess Steenoven vom französischen Missionsbischof Dominique Maria Varlet weihen. Das geschah gegen den Willen von Rom und somit wurde ein Bruch vollzogen. Fortan existierten zwei katholische Kirchen nebeneinander. Von der Kirche von Utrecht erhielten die anderen altkatholischen Bischöfe in der Folge die gültigen Bischofsweihen.

Widerstand gegen die Dogmen

Der Widerstand gegen die beiden vatikanischen Dogmen wurde von namhaften Theologie- Professoren getragen. Darunter war prominent der Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger.

Weitere bedeutende Personen waren Joseph Hubert Reinkens, der erste Bischof der Altkatholiken in Deutschland und Eduard Herzog, der erste Bischof der Christkatholischen

Kirche der Schweiz. Sie betrachteten die Dogmen als im Widerspruch zur Heiligen Schrift und zur kirchlichen Tradition. Sie machten geltend, dass das Vatikanische Konzil weder ökumenisch (allumfassend) noch frei gewesen sei. Sie lehnten indessen nicht das Papsttum als solches ab, sondern dessen überbordende Ausstattung mit Macht.

In den Jahren 1870/71 gab es ihrerseits mehrere öffentliche Erklärungen. Ebenso wurden Altkatholiken-Kongresse organisiert, welche schon 1871-73 ein altkatholisches Programm skizzierten und die Organisation als unabhängige katholische Kirche thematisierten. Bei diesen Kongressen waren immer anglikanische und orthodoxe Persönlichkeiten anwesend, und die ökumenische Dimension wurde im Auge behalten.

Kulturkampf

Die Auseinandersetzung um die vatikanischen Dogmen fiel in eine Zeit, in der auch ein Seilziehen zwischen staatlichen und kirchlichen Instanzen um Kompetenzen im Gang war. Die Einflussnahme in staatliche Dinge durch die römische Kurie wurde vielerorts abgelehnt und bekämpft. Diesen Kreisen kam eine von Rom unabhängige katholische Kirche gerade recht. So gab es im Land Baden 1874 und in Preussen 1875 sogenannte „Altkatholiken-Gesetze“, welche diese Kirche offiziell anerkannten.

Vergleichbares geschah auch in der Schweiz, wo in mehreren Kantonen politische Kräfte zugunsten der Altkatholiken auftraten. Namhafte Politiker beteiligten sich am Protest gegen die vatikanischen Dogmen, darunter Persönlichkeiten wie der Aargauer Landammann Augustin Keller und der Solothurner Landammann Wilhelm Vigier.

Protestierende Geistliche schalteten zuweilen die Behörden ein. Ein Beispiel ist Johann Baptist Egli, Strafhauspfarrer in Luzern. Er verweigerte die Verlesung der vatikanischen Dogmen von der Kanzel und wurde daraufhin suspendiert. Da er aber Staatsangestellter war, rief er die Behörden an, welche ihm Schutz gewährten, bis in Luzern die katholisch-konservative Partei an die Macht kam. Daraufhin musste er gehen und fand erst einige Zeit später eine Stelle als christkatholischer Pfarrer in Olsberg.

Zu den ersten gehörte auch Paulin Gschwind, Pfarrer in Starrkirch, der sich öffentlich gegen die vatikanischen Dogmen stellte. Bischof Lachat setzte ihn als Pfarrer ab, doch Gschwind rief die Regierung in Solothurn an, welche die Absetzung als ungesetzlich bezeichnete. Als Bischof Lachat auf seinem Standpunkt beharrte, enthob die Regierung ihn des Amtes. Der Konflikt zwischen Kanton und Kirche war voll entbrannt. Ähnliche Konflikte gab es auch im Kanton Bern (v.a. im Gebiet des Juras), und im Kanton Genf. Die Kompetenzstreitigkeiten flauten mit der neuen Bundesverfassung von 1874 ab.

Eine Kirche entsteht

Die Vereine freisinniger Katholiken riefen auf den 1. Dezember 1872 zu einer Versammlung in Olten zusammen. An diesem sog. „Oltner Tag“ wurde auf Antrag des Professors Walther Munzinger der Beschluss gefasst, eigene Gemeinden und eine kirchliche Organisation zu schaffen.

Prof. Reinkens sprach zu den rund 2000 versammelten Katholiken und gab geistliche Leitlinien. In der Folge kam es in vielen Städten und in ländlichen Gemeinden der Kantone Aargau und Solothurn zur Bildung von Kirchgemeinden.

Zwei wichtige Anliegen waren sodann die
Sicherung der Ausbildung der Geistlichen mit einer Fakultät an der Universität Bern und die Ausarbeitung einer Verfassung für ein schweizweites Bistum. 1874 wurde der Verfassungsentwurf an zwei Delegiertenversammlungen fertiggestellt und angenommen. Daraufhin konnte am 14. Juni 1875 die 1. Session der Nationalsynode stattfinden, welche die Verfassung in Kraft setzte.

Im Jahr darauf erteilte der Bundesrat der Errichtung eines Christkatholischen Bistums die Genehmigung. Die Phase der Kirchwerdung konnte mit der Wahl und der Konsekration des ersten Bischofs abgeschlossen werden. Eduard Herzog, vorher Professor der Theologie, kurz altkatholischer Pfarrer in Deutschland und dann in Olten, wurde am 7. Juni 1876 gewählt und am 18. September 1876 in Rheinfelden durch Bischof Reinkens konsekriert.

Schon zu Beginn wurden in der Christkatholischen Kirche eine Reihe von Reformen und Massnahmen beschlossen.

❖ Abhaltung der Messe in Landessprache
❖ Abschaffung des Zwanges zur Ohrenbeichte
❖ Abschaffung des Zwanges zum Priesterzölibat
❖ Herausgabe eines Gebet- und Gesangbuches
❖ Herausgabe eines Katechismus
❖ Förderung des Gemeindelebens mittels verschiedener Vereine

Internationale Dimension

Die Christkatholische Kirche ist eingebunden in die Gruppe der Altkatholischen Kirchen, welche in der Utrechter Union zusammengeschlossen sind. Ausser der Niederländischen Kirche (18. Jh.) gehören ihr die Altkatholischen Kirchen in Deutschland, Schweiz und Österreich (nach 1870) an, sowie Kirchen in Tschechien, und Polen. Wieder aus der UU ausgeschieden ist die PNCC, die altkatholische Kirche mit polnischen Wurzeln in den USA und Kanada. Kleinere Kirchen oder Missionen gab und gibt es in Italien, Kroatien, Frankreich und Schweden.

Seit dem „Bonner Agreement“ von 1931 besteht eine Sakramentengemeinschaft mit den anglikanischen Kirchen. Die Kontakte zur Kirche von England sind dabei besonders eng. In neuerer Zeit ist ein Abkommen mit der Kirche von Schweden und eines mit der indischen Mar-Thoma-Kirche dazugekommen.

Ein theologischer Dialog hat mit den Kirchen der Orthodoxie stattgefunden. Die Kommission hat festgestellt, dass die beiden Kirchengruppen auf dem gleichen Fundament des Glaubens stehen. Eine Kirchengemeinschaft ist daraus aber noch nicht erwachsen.

Seit Anbeginn sind die Altkatholiken aktiv in der ökumenischen Arbeit; sie sind Mitglied der KEK (Konferenz Europäischer Kirchen) und des WCC (World Council of Churches).

Mai 2023 / Christkatholische Kirchgemeinde Region Olten / DKonrad

Die komplette Broschüre zum Thema inklusive Bildlegende finden Sie unter der Rubrik: „Über uns“- „Geschichte der Gemeinde“ zum Herunterladen.