Asche auf mein Haupt

Den Einsatz beim Kyrie gerade noch erwischt; vergessen, dass die bequemen, warmen Schuhe beim Gehen auf dem Kirchenboden unheimlich quietschen; beim Gesang vor dem Evangelium nur geschwommen, weil ich schlicht und einfach vergessen hatte, ihn zu üben; die Predigt, die ich mangels einer eigenen liebenswürdigerweise von meiner Frau ausleihen durfte, vorgelesen wie ein Primarschüler; dem Ministranten vergessen zu sagen, dass wir wegen Corona auf die Kelchkommunion verzichten; und dann noch den Tabernakelschlüssel in der Sakristei vergessen; ein echter Berufsalbtraum eines Pfarrers, erlebt, nicht geträumt.

Manchmal laufen die Dinge gehörig schief. Wir machen Fehler. Was wir wollen, geschieht nicht und was wir nicht wollen, geschieht. Uns wird schwindelig, die Schamesröte steigt ins Gesicht. Wir wissen, dass wir es eigentlich tausendmal besser können, aber es will uns einfach nicht gelingen. Irren ist menschlich. Alle machen Fehler. Niemand ist perfekt.

Asche in Form eines Kreuzes liegt in dunklen Locken.
Mit der Asche auf unserem Haupt, beugen wir uns der Begrenztheit unseres Lebens.

«Gedenke Mensch, dass Du Staub bist und kehre um zu Gott, deinem Licht und Leben.» Meine Begrenztheit führte sich mir im Aschermittwochsgottesdienst wieder einmal sehr deutlich vor Augen. Immerhin: ich habe gemerkt, dass mir Fehler passiert sind. Einsicht ist die Grundlage der Weisheit und der Anfang der Erkenntnis. Ist es doch eine göttliche Gnadengabe, dass ich als Mensch meine Fehler überhaupt bemerken kann. Einsicht geschieht manchmal unangenehm oder sogar schmerzhaft, so wie mir am Aschermittwoch: Schamrot will man nur im Boden versinken. Ein sehr ekliges Gefühl. Ein Grund, das Gesicht in den Händen zu verbergen. Manchmal ein Grund zum lauten Heulen, krampfhaften Schluchzen, vor allem bei Kindern. Einfach nur erbärmlich.

Trotzdem ist Scham verbunden mit Reue auch eine Lehrmeisterin. Sie holt uns brutal auf den Boden der Tatsachen zurück. Wie ein Spiessknecht drängt sie uns, unser Verhalten mindestens zu überdenken. Vielleicht sollte ich mir einfach wieder einmal eine Checkliste für den Gottesdienst machen, damit die Sorgfalt beim Vorbereiten der Gottesdienste nicht einer routinemässigen, falschen Sicherheit zum Opfer fällt.

Dem Propheten Jona in der Bibel, einer zentralen Figur, wenn es um den Aschermittwoch geht, geschah auch nicht so, wie er es wollte. Gott hatte anderes vor mit ihm und der Stadt Ninive. Jona konnte sich dem Willen Gottes nicht entziehen, kein Fliehen entband ihn von seinem Auftrag, der Stadt Ninive den Untergang anzukünden. Jonas Ärgern, Wünschen und Wollen bewogen Gott nicht dazu, die Stadt am Schluss doch noch zu zerstören. Ninive hatte seine Fehler eingesehen. Ninive hatte Reue gezeigt – und sich vermutlich gehörig geschämt für seine Fehler. Daher bereute selbst Gott schliesslich sein Vorhaben. Anstatt die Stadt wegen ihrer Fehler zu vernichten, liess er sie am Leben.

«Gedenke Mensch, dass Du Staub bist und kehre um zu Gott, deinem Licht und Leben». Wie wir mit unseren Fehlern und mit den Fehlern der anderen umgehen, ist letztlich uns selbst überlassen. Wir können unsere Fehler akzeptieren. Wir können aus Fehlern lernen und uns verändern, es besser machen soweit das möglich ist. Wir können anderen ihre Fehler verzeihen, wenn wir daran denken, dass wir selbst die gleichen, ähnliche oder andere Fehler auch schon gemacht haben oder vielleicht noch machen werden. Irren ist menschlich. So wenden wir uns dem Leben zu. Wir können uns mit unseren Fehlern abfinden. Wir können uns wegen unserer Fehler selbst fertig machen oder wegen der Fehler anderer in Wut ausbrechen. Wir können für immer hartherzig nachtragend sein und Beziehungen wegen Fehlern beenden oder uns sogar rächen. Das wäre dann nicht das Leben, sondern die Zerstörung.

Dann doch vielleicht lieber einmal fremdschämen, sich bei der eigenen Nase nehmen und weitersuchen nach Gott, dem Licht des Lebens.

Pfarrer Lenz Kirchhofer

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