KI in der Kirche II

Während des Studiums habe ich als Sekretärin in meiner Kirchgemeinde gearbeitet. Nicht zuletzt mochte ich diesen Job, weil er mir Zugang zur Seelsorge bot. Die Gespräche mit dem Pfarrer halfen mir, kleine und grössere Krisen zu meistern, kluge Entscheidungen zu treffen und Lebensfragen aus vielfältigen Perspektiven zu betrachten. So, wie Sokrates durch gezielte Fragen seine Gesprächspartner zu Erkenntnissen führte, tut dies aus meiner Sicht eine kompetente Seelsorgerin: Sie kommt ohne Ratschläge und Bewertung aus, hilft uns aber, Bedürfnisse zu benennen, Situationen zu bewerten und Lösungen zu entwickeln.

Viele Wissenschaftlerinnen sind über­zeugt, dass Computerprogramme mit gezielten Fragen Menschen in belastenden Situationen tatsächlich helfen können. Bereits 1966 sorgte das von Joseph Weizenbaum entwickelte Computerprogramm Eliza für Furore. Noch heute findet man im Internet die Möglichkeit, mit Eliza zu chatten – die Dialoge erinnern durchaus an Gespräche mit einem Psychotherapeuten, der (ich zitiere hier Wikipedia) «die non-direktiven Methoden der klientenzentrierten Psychotherapie nach Carl Rogers» verwendet. Klar, Eliza entlarvt man schnell als Maschine. Doch die Forschung hat seither massive Fortschritte gemacht.

Ich bin überzeugt: In ein paar Jahren können wir nicht mehr unterscheiden, ob wir mit einem Menschen chatten oder einer künstlichen Intelligenz. Es wird möglich sein, ­Maschinen so zu programmieren, dass sie uns sinnvoll und zielführend dabei unterstützen, Gedanken zu ordnen, Gefühle auf den Punkt zu bringen und Lösungsoptionen abzuwägen. Umso wichtiger scheint es mir zu überlegen, was das spezifisch Menschliche ist an der Seelsorge. Und was der göttliche Funke.

Anna Chudozilov