«Theologischer Plunder»

Als mich unsere Erstkommunikantin Gill fragte, ob es einen Gott gebe, musste ich an meinen Freund Basil Studer denken. Nach einem Sturz und Knochenbruch in Berlin stellte man Knochenkrebs fest. Mit welcher Freude ist der Theologieprofessor nach Berlin aufgebrochen. Festvortrag an der Humboldt-Universität. Dann: Notfall. Die Onkologen sagten: «Wir müssen jetzt in Monaten denken und nicht mehr in Jahren.» Das war ein Schock. So viele Forschungsvorhaben, Vorträge, Reisen hatte er geplant. Das kann doch nicht sein! Haben sich die Götter in Weiss nicht geirrt? Chemotherapie und Bestrahlung. Basil kann nicht mehr allein und ohne Stütze gehen. Es ist ihm nicht mehr viel Zeit gelassen worden, Abschied zu nehmen.

Kollegen aus seiner Zeit in Rom, wo er 40 Jahre lang Dogmatikprofessor war, sind gekommen. «Gibt es Gott?» wollte er wissen. «Es gibt Spezialisten, die es beweisen können, andere nicht,» dozierte er. «Vielleicht so, dass nichts Grösseres gedacht werden kann – doch geht Anselm von Canterbury nicht von falschen Fundamenten aus?» Basil brach ab: «Und wenn es ihn gar nicht gibt, diesen Gott?» Im Traum habe er einen grossen Esstisch gesehen, um den herum alle sassen: Priesterinnen und Priester, die jeden Tag zu essen haben, dann Samariter, die sich hinab zu den Menschen beugen, die in Not sind und dann die vielen anderen, die noch nie an einen Tisch gerufen wurden.

Was habe er, sagte Basil, nicht alles versäumt! Die Fragen, die er nicht wahrgenommen habe. «Ach,» sagte er, «lassen wir den theologischen Plunder, gebt mir den Segen!» Da ist Basil dem theologischen Urgestein Thomas von Aquin seelenverwandt, der am Ende seines Lebens das Resümee zog: «Omne foenum – alles Stroh!» Beide stehen sie jetzt vor demselben Tor, durch das wir alle einmal hindurch müssen!

Niklas Raggenbass