Dienende Macht

Jesus sagte zu den Jüngern: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch gross sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. (Mk 10,42–44)

Ein Blick in die Welt zeigt, wie sehr die Worte Jesu bis heute Gültigkeit haben. In Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und persönlichen Beziehungen wird Macht missbraucht, werden Menschen unterdrückt. Leider wird auch die Aufforderung Jesu «bei euch soll es nicht so sein» nicht immer befolgt – auch die Kirche ist nicht frei von missbrauchter Macht und Unterdrückung.
Es ist leicht, mit dem Finger auf die machtbesessenen Eliten zu zeigen. Jesus spricht aber nicht nur die wirklich Mächtigen an. Wir alle üben in einem gewissen Masse Macht aus. Eltern müssen ihren Kindern manchmal ein Machtwort sprechen. Entscheide müssen getroffen werden – in Beruf, Politik und Kirchgemeinden.

Jesus fordert uns nicht zu falscher Bescheidenheit, Duckmäusertum oder Entscheidungsunlust auf, sondern zum Dienst am Nächsten und zur Empathie. Der dienende Mächtige ist fähig, die Bedürfnisse anderer Menschen wahrzunehmen. Bei seinen Entscheiden steht das Wohl des anderen Menschen im Zentrum. Wer Macht so ausübt, sieht im anderen Menschen nicht ein Mittel zum Zweck, keine Spielfigur im Monopoly und Macht-Schach dieser Welt, sondern ein Gegenüber mit einer unantastbaren Würde. Unserer Welt würde es wahrlich guttun, wenn mehr Menschen ihre Macht im Geiste Jesu als Dienst verstünden.

Thomas Zellmeye