Ohne Winzer kein Abendmahl

Interview mit Bruno Wirth, Landwirt in Olsberg AG

Bruno Wirth betreibt mit seiner Frau Barbara einen Hof in Olsberg. Auch seine Mutter Erika Wirth bietet noch regelmässig eine helfende Hand, vor allem im Hofladen. Peter Feenstra hat sich mit dem Landwirt über Bio-Anbau, Klimaveränderung und Nachhaltigkeit sowie über die Bedeutung des Weines für die Kirche unterhalten.

Peter Feenstra: Durch den Direktverkauf von Produkten sind viele Landwirte heute mehr als früher verbunden mit der Kundschaft. Ändert das die Verbindung mit der Gesellschaft?
Bruno Wirth: Das ist vielleicht ein zu grosses Wort. Sicher ist die Beziehung, gerade zu langjährigen Kunden, anders als beim Grossbetrieb. Wir machen das jetzt seit 35 Jahren, also da konnten wir einiges aufbauen.

Bis vor kurzem hattest du auch deine eigenen Reben und in deinem Hofladen verkaufst du immer noch Wein eines Winzers vom Dorf. Ausserdem bist du regelmässig engagiert gewesen bei der Produktion des Martinstropfens, unseres Kirchenweins. Könntest du darüber etwas erzählen?
Als wir 1988 mit diesem Hof anfingen, war der Rebbau gleich ein Teil des Betriebs. In den letzten Jahren haben wir nach und nach alles auf Bio umgestellt. Das hat gut geklappt, ausser beim Rebbau. Sechs Jahre hat es funktioniert, aber dann hatten wir 30% weniger Ertrag. Um das ganze wirtschaftlich rentabel zu halten, müsste der Biowein 25 bis 100% teurer verkauft werden. Das zahlen die Kunden aber nicht. Der Wein, den wir jetzt für diesen anderen Winzer aus Magden verkaufen, ist von einer sogenannten PIWI-Rebsorte. Diese Reben sind pilzresistent. Die Qualität ist gut, aber der Wein von diesen Sorten ist bisher bei den meisten Kunden nicht akzeptiert.

Dieser Wein ist doch der Saphira. Beim letzten Weinfest habe ich ihn probiert und mochte ihn besonders gern. Er ist aber wirklich anders.
Genau. Vermutlich werden mehr Kunden sich daran gewöhnen. Es geht wahrscheinlich auch kein Weg daran vorbei, denn in kürzerer oder längerer Zeit wird der ganze Weinbau sich umstellen müssen auf die PIWI Reben. Teilweise sind das auch ältere Weinsorten.

Muss die Produktion auch wegen der Klimaveränderung umgestellt werden?
Ja, das ist jetzt eine Riesenbewegung in der ganzen Landwirtschaft. Um wieder auf den Rebbau zurückzukommen: Jetzt kann man in der Schweiz Trauben anbauen, die vor 30 Jahren nicht gegangen wären. Aber: Es geht nicht nur um die erhöhte Temperatur. Die Rebsorten, die wir jetzt brauchen, müssten sowohl fünf Wochen Regen als auch trockene Perioden aushalten. Also robust sein gegen extremes Wetter. Und es wird mit Beschattungsnetzen gegen die Hitze experimentiert. Dazu kommt, dass man bei Reben langfristig planen muss, etwa zwanzig Jahre, denn nur schon das Umstellen auf eine andere Sorte dauert etwa fünf Jahre.

Ich fand es damals super, dass du auf Bio umgestellt hast. Das Thema beschäftigt mich oft. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, denke ich manchmal: Die Kirche sollte nicht das Schlusslicht sein, sondern vorangehen. Bist du auch dieser Meinung?
Grundsätzlich ja. Alle müssen umdenken. Das heisst aber auch: Jeder sollte selbst entscheiden. Die Kirche kann da also auch nichts vorschreiben.

Für die Kirche ist Wein ein Symbol der Gemeinschaft und des guten Lebens, im sozialen aber auch im religiösen Sinn. In Magden feiern wir die Eucharistie mit dem lokalen Wein. Das macht uns bewusst, dass wir ohne Winzer keine Eucharistie feiern können. Spürst du auch etwas von dieser Bedeutung bei deiner Kundschaft?
Es stimmt schon, dass für die Leute ein Glas Wein eine andere Bedeutung hat als ein Glas Bier oder Most. Aber auch ein Apéro als Ganzes muss gut sein. Es entsteht dann eine andere Atmosphäre, in der Menschen sich wohl fühlen und gute Gespräche führen. Wein kann dazu etwas beitragen. Manchmal bekomme ich Rückmeldungen, die in diese Richtung gehen.

Einmal im Jahr feiert die Kirchgemeinde Magden-Olsberg Erntedank, in der Regel auf einem Buurehof. Da kommen Kirche und Bauernbetrieb zusammen. Auch wird auf den Landgemeinden immer noch der Wettersegen erteilt. Inwiefern hat das heute noch eine Bedeutung?
Es kommt auf die Prägung der Familien an, die die Betriebe führen. Für viele hat das keine Bedeutung, bei anderen, wie bei uns, bedeutet es schon etwas. Vielleicht nicht so viel wie Weihnachten und Ostern, aber wir schätzen solche Traditionen schon. Wir sind hier im Fricktal nicht so religiös wie zum Beispiel im Emmental. Jedenfalls ist die kirchliche Zugehörigkeit in den letzten Generationen abgeflacht. Was in der Gesellschaft heute mehr geschätzt wird, ist das sogenannte «alte Wissen». Zum Beispiel, dass es bei bestimmten Mondständen bessere Ernten gibt. Aber in der Pragmatik unserer Betriebe gibt es für solche alten Regeln wenig oder keinen Spielraum. Wenn vier Betriebe zusammen einen Mähdrescher haben, können nicht alle ihn gleichzeitig benutzen.

Als ich letzte Woche durch Deutschland fuhr, fiel mir auf, dass die Bauernbetriebe viel grösser sind. Da dachte ich: Wie kommt das?
In der Schweiz sind die Strukturen kleiner. Das gilt für die Landschaft, aber auch für die Eigentümer. In der Schweiz sind 95% von den Höfen Familienbetriebe.

Auch hier in Olsberg und Magden spielen von alters her die Familienbetriebe eine grosse Rolle. Inwieweit prägen diese heute noch das Dorfleben?
Das ist nach wie vor so. Wenn es ein Fest gibt, sind die Bauern meistens dabei und helfen mit. Weil der Abstand zum Betrieb kurz ist, weiss man voneinander und werden auch Probleme angesprochen. Zum Beispiel, wenn jemand sich ärgert, wenn wir in der Nacht noch über die Felder fahren. Dann müssen wir erklären, mit was für Sachzwängen wir es zu tun haben.

Sind diese schlimmer als früher?
In vielen Beziehungen schon. Den Jungen kommen die ganzen Vorschriften wie ein Korsett vor. Junge Rebbauern spüren einen Druck auf ihren Betrieb, weil der Alkoholkonsum zurückgeht und weil es im Ausland ein grosses Billig-Angebot gibt.

Das untere Fricktal ist in der Schweiz die einzige Region, wo in einer ländlichen Umgebung mehrere christkatholische Kirchgemeinden bestehen. In Olsberg wurde sogar der erste christkatholische Pfarrer gewählt. Gibt es etwas in der Volksart, was die Einwohnerschaft eher aufmüpfig gegen die neuen römisch-katholischen Papstlehren gemacht hat?
Sagen wir es mal so: Die ursprünglichen Familien haben sich nicht «uf d Chappe schisse loo». Aber eigentlich ist es schwer, allgemein etwas über die Mentalität hier im Dorf zu sagen. Jede Generation ist wieder anders und es geschieht auch immer wieder eine Durchmischung durch Neuzuzügler. Ausserdem ist die Stellung der Religion heute eine andere als im 18. Jahrhundert.

Interview: Peter Feenstra


Besuchen Sie die Website vom Biohof
und erfahren Sie mehr über das reich-
haltige Angebot der Familie Wirth-
Dillier in Olsberg. www.buurehof.ch