Weihnacht

«Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.» (Joh 1, 14)

Das ist nicht die Weihnachtsbotschaft vom Kind in der Krippe, die wir lieben. Hier ist Übersetzungsarbeit geleistet worden. Die Geburtsgeschichte ist in einen grösseren zeitlichen und geistigen Zusammenhang gestellt worden. Nicht nur Israel war angesprochen, die Botschaft drang auch in den griechischen Kulturkreis ein, musste daher dessen hauptsächlich philosophischen Denkmustern angepasst werden. In etwa so: Gott Vater hat mittels seines Wortes die Welt erschaffen. Sein Wort jedoch wurde zu einer eigenen Person neben ihm, das durch den Heiligen Geist in Christus Mensch wurde und seinem Volk die Erlösung brachte. 

Das ist hartes Brot, an dem sich viele Gelehrte Zähne ausbissen. Und wir, wollten wir es denn wirklich so genau wissen? Genügt es nicht, zu vernehmen, dass Gott im Jesuskind sein segnendes Wort über die Menschen gesprochen hat?

Segnen heisst jemandem Gutes zusagen. «Ich will, dass es Dir gut geht. Dass Du erfüllt bist vom Vertrauen darauf: Ich bin gewollt als Ich. Einmalig und zum Leben in der Fülle bestimmt.» 

Wo sonst hören wir das? Jedenfalls nicht im gnadenlosen Arbeitskampf. Vielleicht auch nicht ausschliesslich unter Kollegen, Freundinnen, Nachbarn. Johannes und Lukas, je auf ihre Art, versichern uns: Es gibt immer wieder die Chance eines neuen Anfangs. Ein Kind ist noch grenzenlos offen, alles ist für es möglich. Ein Wort kann befreien, kann neue begehbare Wege eröffnen. Kann neues Leben erschaffen. Das ist Weihnacht.

Pfarrer emeritus Niklaus Reinhart