«Verhandlungen mit mir selbst – und mit Gott»

Dag Hammarskjöld: Zweiter Generalsekretär der Vereinten Nationen

Dag Hammerskjöld um 1950. Foto: Wikipedia

Vor 70 Jahren wurde der wenig bekannte schwe­dische Politiker Dag Hammarskjöld zum zweiten Generalsekretär der Vereinten Nationen ernannt. Skeptiker überraschte er schon bald darauf mit seinem Ver­hand­lungs­geschick. Ob bei diplo­ma­tischen Ver­handlungen in Peking, ob während des Kon­flikts um den Suez­kanal oder im Zuge des Ungarn­auf­stan­des – Hammar­skjöld gelang es, in dramatischen Momen­ten friedliche Lösungen zu finden.

Flugzeugabsturz: Bis heute ungeklärte Umstände

In der Nacht vom 17. zum 18. September 1961 stürzte seine Dienstmaschine unter bis heute nicht aufgeklärten Umständen beim Landeanflug in der Nähe des Flughafens der damals noch zu Nordrhodesien (heute zu Sambia) gehörenden Stadt Ndola ab. Die Nachrufe entwarfen das Bild von einem überragenden Diplomaten, dessen Integrität als Generalsekretär für die Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen unstrittig war. Diese hohe Achtung seiner Person zeigte sich schon während seines Lebens, als er im September 1957 einstimmig für eine zweite Amtszeit als UN-Generalsekretär bestellt wurde, und in dem überwältigenden Vertrauensvotum, mit dem die UN-Vollversammlung 1960 auf die Forderung des sowjetischen Ministerpräsidenten und Generalsekretärs der KPdSU, Nikita Chruschtschow, reagierte. Chruschtschow forderte, Dag Hammarskjöld sei abzulösen und der Posten des UN-Generalsekretärs müsse durch drei Generalsekretäre, die sogenannte «Troika», ersetzt werden. Dag Hammarskjöld hatte die Vertrauensfrage gestellt und sie gewonnen.

Auseinandersetzung mit dem Christsein

Damals gab es nur wenige, die von Dag Hammarskjölds Auseinandersetzung mit seinem Christsein, mit den Traditionen der Mystik und der Religionen Kenntnis hatten. Die Öffentlichkeit reagierte daher überrascht, als 1963 dessen private Aufzeichnungen, eine Art Tagebuch, unter dem Titel «Vägmärken» und später unter dem Titel «Zeichen am Weg» veröffentlicht wurden. Dag Hammarskjöld überliess seinem ehemaligen Kollegen Leif Belfarge aus dem schwedischen Aussenministerium die Entscheidung, den Text zu veröffentlichen:
«Lieber Leif, hier ist mein Tagebuch. Begonnen wurde es ohne einen Gedanken daran, dass jemand es lesen sollte. Wenn Du findest, dass es verdiene gedruckt zu werden, so gib es heraus – als eine Art Weissbuch meiner Verhandlungen mit mir selbst – und mit Gott.»

Dauernde kritische Prüfung der Entscheide

Diese Aufzeichnungen mussten für alle jene enttäuschend sein, die von privaten Notizen eines UN-Generalsekretärs Hintergrundinformationen über politische und diplomatische Vorgänge erwartet hatten. Sie zeigen einen Menschen, der in seinem einflussreichen Amt alles einer kritischen Prüfung unterzieht und diese Überlegungen in Verbindung zu seinem Christsein setzt. Das Buch liest sich wie ein «spirituelles Tagebuch» und war mir auch für viele Gottesdienstvorbereitungen oft sehr hilfreich. Manchmal hatte ich den Eindruck, es sei für unsere heutige Zeit geschrieben. Dann etwa, wenn er von den vielen Veränderungen des 20. Jahrhunderts schreibt, die so tiefgreifend seien, dass sie einen Menschen verunsichern und veranlassen, seine Überzeugungen zu prüfen. Er habe von seinem Vater gelernt, dass es die Aufgabe eines Politikers sei, seine Amtspflichten wahrzunehmen – jenseits persönlicher Interessen. Von seiner Mutter habe er die Überzeugung geerbt, alle Menschen seien in gleicher Weise Kinder Gottes. Erst später habe er erfahren, dass diese Haltungen von seinen Eltern vereinbar seien mit jener Form der Redlichkeit, die von einem mündigen Menschen heute gefordert ist.

In diesem Tagebuch-Rückblick zeigt sich eine eindrucksvolle Karriere. Es zeigt das innere Ringen eines Politikers, der in seinem tiefsten Wesen ein Mystiker ist und sich in letzter Konsequenz von Gott getragen weiss. In seinen Texten benennt Dag Hammarskjöld «Wegmarken», die bis heute auch für uns gültige Herausforderungen sind. Nach seinem Tod wurde diese zeitlebens suchende Persönlichkeit mit dem Friedensnobelpreis geehrt.

Niklas Raggenbass


Dag Hammarskjöld
Zeichen am Weg
Das spirituelle Tagebuch des
UN-Generalsekretärs

Dass die Welt Dag Hammarskjöld nach seinem Tod nicht nur als Diplomaten sehen lernte, sondern auch als religiösen Philosophen und Dichter, ist auf das tagebuchartige Manuskript «Vägmärken» (Wegzeichen) zurückzuführen, das er hinterliess.

Einband: Kunststoff-Einband
Seitenzahl: 240
Verlag: Urachhaus
ISBN-13: 978-3-8251-7770-6