Wasser – das blaue Gold

Während ich diese Zeilen schreibe, regnet es in Strömen. Noch vor wenigen Tagen war es fast unerträglich heiss, so dass ich, wie die meisten, aus allen Poren geschwitzt habe. Viele waren in dieser Zeit froh um einen Sprung in den See oder auch nur um einen Schluck kühles Wasser vom Hahn oder aus dem Brunnen.

Diesen Sommer hat mich das Thema Wasser immer wieder beschäftigt: Bei einer Taufe, beim Stadtspaziergang, in der Telebibel. Neu war für mich, wie viele Brunnen es in der Stadt Luzern gibt: über zweihundert. Die meisten davon sind an das alte Brunnenleitungsnetz angeschlossen, das ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Darin fliesst reines Quellwasser vom Pilatus – das allerbeste Trinkwasser, das man in Luzern bekommen kann, und zwar gratis und zugänglich für alle.

Ich habe in der Bibel nach Erzählungen von Brunnen gesucht, und habe einige gefunden. So lesen wir zum Beispiel im Buch Genesis, wie Rebekka dem Knecht Abrahams Wasser in einem Krug reicht, damit er trinken kann. Sie hat das Wasser aus einem Brunnen geschöpft, an dem alle ihr Wasser schöpfen – das blaue Gold, der wertvollste Schatz in der Wüste, der aber doch für alle zugänglich ist. Dennoch bezahlt der Knecht Abrahams dafür mit kostbaren Geschenken. Er ist nämlich, so wird erzählt, unterwegs, um eine Frau für Abrahams Sohn Isaak zu suchen. Er findet diese Frau in Rebekka – jenem Mädchen, das ihm freigiebig und ohne nach Lohn oder Bezahlung zu fragen Wasser aus ihrem Krug gegeben hat. Und weil sie so grosszügig mit dem blauen Gold war, bekommen sie und ihre Familie jetzt Geschenke aus echtem Gold und Silber.

Später lesen wir, wie Isaak und Rebekka zu einer grossen Familie gewachsen sind. Als Nomaden suchten sie einen Ort zum Leben, und sie gruben Brunnen in der Wüste. Doch sie sind darüber mit anderen Hirten in der Region in Streit geraten. Den ersten Brunnen nannten sie «Zank», den zweiten «Streit»; beim dritten schliesslich schlossen sie Frieden und nannten ihn «Weite» und sagten: «Jetzt hat uns der Herr weiten Raum verschafft und wir sind im Land fruchtbar geworden.»

An anderen Stellen ist nicht von Brunnen, sondern von Quellen die Rede. Nach dem Auszug aus der Gefangenschaft in Ägypten, so erzählt das Buch Exodus, habe sich das Volk Israel bei Elim niedergelassen: «Dort gab es zwölf Quellen und siebzig Palmen; dort am Wasser schlugen sie ihr Lager auf.» Zwölf meint: Für jeden Sohn Jakobs, für jeden Stamm des Volkes Israel gibt es eine Quelle. Oder anders gesagt: Das Wasser ist für alle da. Der gleiche Gedanke, der mir beim Quellwasser in den Luzerner Brunnen gekommen ist.

Die alten Brunnen haben ihre praktische Bedeutung für die Wasserversorgung fast vollständig verloren. Für mich haben sie spirituelle Bedeutung gewonnen: Als Erinnerung daran, dass die wertvollste aller Ressourcen gratis ist und für alle zugänglich sein soll. Tragen Sie diesen Gedanken mit sich, wenn Sie das nächste Mal an einem Brunnen vorbeigehen.

Adrian Suter

Meine Telebibel-Beiträge vom 21. bis 31. Juli 2023: