Beten mit Leib und Seele: Offen und verwundbar

Die neun Gebetsweisen des heiligen Dominikus. Bibliotheca Vaticana (Codex Rossianus 3).

Ausgespannt.
In alle Richtungen des Himmels.
Oben und unten.
Links und rechts.
Norden und Süden.
Osten und Westen.

Bereit, alles zu umfangen.
Alle in die Arme zu nehmen.
Ans Herz, das offene.
Nichts und niemand auszulassen.
Verletzlich. Verwundbar.
Keine Panzer aus Stein.

Ausgebreitete Arme.
Wie der leidenschaftliche Christus.
Kein furchtvoll-feiges Verschränken.
Wehrlose Liebe!
Speerangelweite Lust,
die Welt zu umarmen.

Keine hochmütige Abwehr
Unter steif-weissen Klerikerkragen.
Keine eitle Selbstgefälligkeit.
Das Kreuz bricht die eiserne Rüstung auf.
Das Kreuz ist Ostern. Ist Heil und Erlösung.
Es weitet das Herz.

Angst macht Glaubende eng.
Kleinmütig zieht sich das Lebendige zurück.
Ins Harte. Ins Selbstmitleid. Ins Unglück.
Osterglaube will atmen. Will öffnen.
Schwere Steine vor den Gräbern der Herzen.
Rollen fort, vom zarten Engel berührt.

Österliches Beten
schliesst ein und auf.
Nicht aus oder zu.
Umfasst die Erde, die Menschen, das Licht.
Da Christus, das Leben, lebt.
Wer will nicht in seine offenen Arme?

Pfarrer PD Dr. Michael Bangert