In aller Stille

Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle. (1Kön 12b-13)

Der Prophet Elija hat sich für die Sache Gottes eingesetzt und dabei sogar Leib und Leben gefährdet. Seine Flucht führt ihn in eine Höhle am Berg Horeb. Gott fordert ihn auf, aus der Höhle herauszukommen. Sturm, Erdbeben und Feuer ziehen an Elija vorüber – aber Gott ist nicht in ihnen. Erst im sanften, leisen Säuseln begegnet Elija Gott. Gott erscheint dem Elija in aller Stille, man könnte ihn beinahe überhören. Mich tröstet diese Geschichte immer wieder, wenn ich das Gefühl habe, mein eigenes spirituelles Leben sei unspektakulär, wenn die grossen religiösen Erlebnisse und Gefühle ausbleiben.

Gott aber lässt sich nicht nur in den grossen Momenten des Lebens finden, sondern gerade auch im Unscheinbaren und Kleinen. In einem Sonnenstrahl, der ins Zimmer fällt. In der liebevollen Zuwendung, die einem ein Mensch entgegenbringt. In der Freude über ein freundliches Wort. In all dem kann – ganz sanft und leise – plötzlich etwas von dem Gott spürbar werden, der uns mit seiner Liebe immer trägt, sogar dann, wenn wir es gar nicht richtig spüren.

Gott begegnet uns vielleicht gerade dort, wo wir von ihm und unserem Leben nicht mehr viel erwarten, dort, wo wir uns unscheinbar, langweilig und schwach vorkommen.

Gerade dort kann er uns immer wieder ansprechen, ganz leise und sanft, ganz zärtlich und liebevoll. Und dann können auch wir herauskommen aus unseren Höhlen und ihm begegnen.

Thomas Zellmeyer