Unterwegs nach Ostern

«Das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Joches zu entfernen, an die Hungrigen Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen und wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden.» (Auszug aus Jesaja 58, 6 und 7)

Der Prophet Jesaja kritisiert seine Volksgenossen. Diese fasten zwar äusserlich, d. h. sie verzichten auf Nahrung und legen sich in Sack und Asche. Aber daneben gehen sie ihren gewohnten Geschäften nach, die es mit der Wahrheit und Gerechtigkeit nicht allzu genau nehmen. Und damit führen sie ihr Fasten gleichsam ins Absurde. Oder wie es der Kirchen­vater Basilius der Grosse einst schrieb: «Du isst zwar kein Fleisch, aber Du verzehrst Deinen Bruder.»

Beim Fasten als religiöse Praxis geht es nicht in erster Linie um den äusseren Verzicht, sondern wozu dieser dient. Ob ich z. B. das so gesparte Geld in ein Projekt zum Wohle anderer Menschen einsetze oder ob ich die gewonnene Zeit in meine Beziehung zu Gott und meinen Mitmenschen investiere. So besteht ein Fasten, das dem Herrn gefällt, in Taten der Liebe und der Barmherzigkeit, der Bereitschaft meinen Wohlstand mit denen zu teilen, die es nicht so gut haben und dem Willen für Gerechtigkeit zu kämpfen für die Unterdrückten und ­Leidenden. Und dies auch dann, wenn mir dies Nachteile einträgt oder auf keine Gegenliebe stösst.

Wenn dies das Ziel meines Fastens ist, wie immer dieses auch aussehen mag, dann bin ich unterwegs nach Ostern. Dann wird etwas vom Licht und von der Kraft der Auferstehung, die den Tod überwand und die Ungerechtigkeit besiegte, schon jetzt in meinem Leben sichtbar. Und dies mitten in der Fastenzeit.

Sarah Böhm-Aebersold