Zeiten der Entspannung

Der Weisheitslehrer schreibt: Ob ein Tongefäss gelungen ist, stellt sich im Brennofen heraus. Ob ein Mensch etwas taugt, zeigt sich, wenn du mit ihm sprichst. (Jesus Sirach 27,5 und 7)

Reist man in den Ferien in andere Länder, lässt man gerne einmal s’Föifi grad sy. Man ist entspannt, fühlt sich wohl unter dem Sonnenschirm und freut sich schon auf die nächste Abkühlung im Meer. Geht man abends aus, darf es ab und an auch ein etwas grösseres Trinkgeld sein. Man profitiert ja vom Wechselkurs und das Ferienbudget will schliesslich ausgeschöpft sein.

Schon etwas weniger entspannend sind die lästigen Strandverkäufer, die allerorten ihr Unwesen treiben. Wenn nicht unbedingt nötig, kauft ihnen niemand die in den meisten Fällen sowieso wertlose Ware ab. Dass da regelmässig übers Ohr gehauen wird, weiss jeder. Das Augenzwinkern, dass man den heimlichen Betrug weiss, wenn ein Kauf denn einmal unvermeidbar ist, fällt aber schon schwerer.

Zurück im Alltag und mit Blick auf die schmerzhaften Ereignisse der letzten Monate in Osten Europas, taucht unweigerlich die Frage auf, ob das, was im Urlaub angehen mag und wohl mit der einen oder anderen kleinen Bitterkeit weggesteckt wird, auch fürs richtige Leben gilt. Haben wir uns in Europa die letzten Jahre vielleicht zu fest wie am Strand gefühlt? Haben wir das Tongefäss, wie der Weisheitslehrer mahnt, zu wenig im Brennofen geprüft? Haben wir Waren, Dienstleistungen und Ideen vielleicht zu leichtfertig ausgetauscht, in der guten Meinung, mit einem Augenzwinkern davonzukommen? – Genug Stoff zum Nachdenken, nicht nur in Ferienzeiten.

Simon Huber