Himmelfahrt

Jesus, der Herr, wurde in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Mk 16, 19f

Da spricht eine menschliche Erfahrung, quasi visualisiert mit den Mitteln zeitbedingter kosmologischer Vorstellungen. Unten die Erde, der Menschenbereich, oben, weit oben, der Himmel, Gottes Wohnstatt. Und Jesus wechselt nun vom einen zur andern. Eine Darstellung, die uns heute so nicht mehr wirklich überzeugen will. Wir bedürfen daher der Rückübersetzung.

Stattgefunden im Jüngerbewusstsein hat ein mehrfacher Wahrnehmungswandel. Erst noch war dieser Jesus physisch bei ihnen, dann war er tot, und trotzdem spürten sie weiterhin seine Nähe. Er erschien in ihrer Mitte, wie auch immer, 40 Tage lang, Bild für eine lange Zeit. Und in dieser Zeit wandelte sich offenbar die Erinnerung. Die erworbene Christuserfahrung verband sich mit der inneren Gotteserfahrung, was unter anderem mit der Jesus-Aussage: «ich und der Vater sind eins» nahegelegt sein kann.

Oder anders: der auferstandene Christus wird so zum Bild für mich selber, und in ihm kann sich die Vereinigung mit Gott vollziehen. Auch in mir vollzieht sich Himmelfahrt, hebt sich die vorgestellte Distanz zwischen Himmel und Erde auf.

Frau Härtli fragt: «Muss es denn immer wieder so kompliziert sein?» Eine gute Frage. Denn es geht hier um Erfahrungen von vielen Menschen mit ihrem eigenen Leben. Der Evangelist hat versucht, seine eigenen Vorstellungen sozusagen zu objektivieren, sie zu erzählen mit Bildern, mit einer Geschichte, die auch die Phantasie anderer anregen kann und sie vielleicht feststellen lässt: Ja, das kommt mir bekannt vor. In meiner eigenen Version. Und so können Bilder von Hoffnung entstehen, die auch mich begleiten können, in meiner Version. Auch für mich gibt es Augenblicke, Zeiten, in denen ich erfahren kann, dass die Distanz zwischen Himmel und Erde aufgehoben ist. Oder eben: Ich und der Vater sind eins.

Niklaus Reinhart