Guter Hirte

Der gute Hirt, um 330, Päpstliche Museen, Vatikan.

Wie nah sie sich sind.
Fast ineinander gewachsen.
Das Fell des Schafes.
Die Locken des Hirten.
Sie schwingen miteinander.
Jugendliche Kraft. Bartlos noch.
Die Hände halten das Schaf,
sicher und fest.
Doch unangestrengt.
Geborgen auf der Schulter.
Widerstrebend noch blickend,
doch der Rettung gewiss.
Es scheint keine Last zu sein.
Der Hirt trägt es leicht.
Bereit, willig und fest.
Das Schaf ist ergriffen.
Keine Dressur hat es entfremdet
vom Verlangen nach Weite.
Das Schaf war hilflos,
verloren, verstrickt.
Der junge, rettende Hirt
ist, was er ist.
Strahlende Gegenwart.
Kein schmachtender Blick.
Kein frommes Idyll.
Kein blutleer-blass-bleicher Retter.
Kein theologischer Waschzwang.
Der junge Hirt legt Hand an.
Schmutz schreckt ihn nicht.
Das dünne Kleid mit dem
Riemen geschürzt.
Zum Laufen, zum Springen.
Lebensvoll seine Nähe.
Gewinnend sein Griff.
Wer solch einen Hirten sieht,
ahnt Christus in ihm.
Mit zärtlicher Stärke
sucht er das Verlorene.
Ohne Vorwurf
verwächst er mit uns.
Wird eins.
Nicht aus lästiger Pflicht,
nein, er liebt lustvoll das Leben.

Pfr. Dr. Michael Bangert