Nur ein einziges Mal

Illustration aus dem Stuttgarter Psalter, entstanden um 830 in Saint-Germain-des-Prés. Heute Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart. bibl.fol.23.

Ein langer Weg. Sehr lang.
Gefahren und Mühen.
Mit unsicherem Ziel.
Noch kennt ihn ja niemand,
den neuen König.
Den Neugeborenen.
Die Magier gehen den Weg.
Sie tragen die Gaben mit sich.
Ohne zu wissen,
wann er sich finden lässt.
Für ein einziges Mal?
Der ganze Aufwand?
Lohnt sich denn das?
So die Zersetzer des Glaubens,
verzagt auch in unserer Zeit.
Griesgrämige Vergifter der Hoffnung,
mutloser Trübnis nur folgend.
Lieblos, lebensverneinend.

Die Magier eben sind weise:
Ein einziges Mal
das Geheimnis der Welt sehen,
das Wunder der Liebe spüren,
nur ein einziges Mal.
Das erfüllt, befriedet, tröstet.
Nicht immer mehr noch vom selben.
Nicht immer alles und mehr.
Ein einziges Mal Vollkommenes schauen.
Nur ein einziges Mal niederknien,
anbeten und alles geben,
einmal wehrlos sein,

– und alles ist anders.
Die Weisen in bunt-lustigen Kleidern,
mit fremd-weichen Mützen,
geben alles im Augenblick.
Für das Kind, das ohnmächtige.
Das ist das Ziel.

Ein langer, sehr langer Weg
für den kurzen Moment der Erkenntnis,
den einen Augenblick Wahrheit.
Solche Klarheit macht weise.
Das lohnt doch den Weg durch die Zeit,
zum Neuen, das uns erfüllt.

Michael Bangert