Dominum terrae

Kleine biblische Zoologie XVIII – Schluss

Martin Luther hat sehr bedauert, dass er so schlecht Hebräisch konnte. Wenn er «machet sie euch untertan» schrieb, so meinte er dies so, wie er Gottes Wort in 1.Mose 2,15 übersetzt: «Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte». Bebauen und bewahren ist also die Devise, nicht ausbeuten und unterwerfen. Etwas irreführend ist wohl auch die Übersetzung «und herrschet über…» (Natur und Tiere). Das hebräische Wort «Kebosch» bedeutet durchaus auch «leiten, hegen, sich sorgen», wie dies ein Hirte tut.

Bleibt die Frage, wie es denn gekommen ist, dass der Auftrag zum Bewahren und Bebauen derart gescheitert ist? Das dürfte zum einen mit dem «freien Willen» zusammenhängen, über den der Mensch nach der biblischen Botschaft verfügt. Zum anderen aber auch mit dem, den die Bibel am Anfang (1.Mo 3,1) und am Ende (Offbg 20,2) als «die Schlange» bezeichnet.

Das «Dominium terrae», die «Herrschaft über die Erde» bedeutet deshalb richtig verstanden nur eines: Der Mensch soll im Auftrag Gottes Kontrolle ausüben, die zum Schutz der Tierwelt (und der Pflanzenwelt und der ganzen Umwelt) dient. Dabei soll er sich fürsorgend auf Augenhöhe mit dem Tier bewegen.
Wir haben gesehen: Tiere dienen in der Heiligen Schrift nicht einfach als Kulissen. Selbst im Hinblick auf künftiges Geschehen werden die Tiere nicht vergessen.

In seiner Schau des neuen Himmels und der neuen Erde sagt Jesaja unter anderem (11,8; «Die Schrift», verdeutscht von Martin Buber, Bd. 3, Seite 40): «Der Säugling erlustigt sich an der Höhle der Viper, nach dem Lichtloch der Kreuzotter patscht mit seiner Hand ein Entwöhntes.» Wer sich ein Forscherleben lang Giftschlangen und Schlangengiften gewidmet hat, findet dieses Bibelwort besonders faszinierend. Dabei ist gleichgültig, ob Jesaja mit diesem Bild «nur» das Unvorstellbare vorstellbar macht, oder ob er eine künftige Realität vorwegnimmt. Die Mensch-Tier-Beziehung, wie sie von Gott angedacht ist, hält wohl noch die eine oder andere Überraschung bereit: Es bleibt spannend!

Jürg Meier