Ein Wort zu Karfreitag und Ostern 2024

Aus ökumenischer Sicht

Dieser Text ist im Dialog zwischen Delegierten der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen im Kanton Bern (AKB) und Mitgliedern der CJA Bern entstanden.

Alle Kirchen erinnern in den Karfreitagsgottesdiensten und -predigten an die Kreuzigung Jesu und feiern an Ostern die Auferweckung des Gekreuzigten. Die Botschaft der Zuwendung zu den Menschen tragen die Jüngerinnen und Jünger Jesu seither weiter. Bis in unsere Tage. Der Gedanke von Auferweckung und Auferstehung wurzelt in der Zeit der Makkabäer im zweiten Jahrhundert vor Christus und wurde Teil der jesuanischen wie der pharisäisch-rabbinischen Theologie.

Jahrhundertelang aber war der Karfreitag ein Tag der Angst für die jüdischen Gemeinden in christlich geprägten Städten und Ländern, da das Judentum für Kreuzigung und Tod Jesu verantwortlich gemacht wurde. Oft nahmen antijüdische Verfolgungen und Vertreibungen ihren Anfang am Karfreitag. Seit dem 6. Jahrhundert bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil wurde in den Karfreitagsbitten für die «perfidi Judaei», die «verstockten Juden», gebetet: Gott möge den Schleier von ihren Herzen nehmen und sie zur Erkenntnis Jesu Christi führen.

Die neutestamentlichen Texte zu Verurteilung und Kreuzigung Jesu tradieren durch die Passionsvertonungen von Bach und anderen bis heute die Vorwürfe an Jüdinnen und Juden als Jesusmörder. Die damals in Jerusalem tonangebende Tempelaristokratie der Sadduzäer war eng mit der römischen Besatzungsmacht verbunden. Nur die Vertreter der Römer, wie Pilatus, konnten Todesurteile fällen und vollstrecken lassen. Die Texte müssen im Kontext ihrer Entstehung Jahrzehnte nach der Kreuzigung Jesu betrachtet und verstanden werden.

Die 1947 formulierten «10 Thesen von Seelisberg» fassen die Notwendigkeit einer neuen Textauslegung zusammen und anerkennen die christliche Verwurzelung im Judentum und legten damit den Grundstein für den Neuanfang des jüdisch-christlichen Gesprächs nach dem Zweiten Weltkrieg in der Schweiz und weit darüber hinaus. Unmittelbar nach dem Ende des Kriegs wurde die «Christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung des Antisemitismus» gegründet.

Antisemitismus und Islamophobie – zwei Seiten einer Medaille
Am Samstagabend, 3. März 2024, wurde in Zürich ein 50-jähriger Mann, der durch seine Kleidung als orthodoxer Jude erkennbar war, von einem 15-jährigen Muslim mit einem Messer attackiert und lebensgefährlich verletzt. In seinem Bekennervideo erklärte der Jugendliche, dass er möglichst
viele Juden und Christen und auch aus seiner Sicht ungläubig lebende Muslime töten oder verletzen wolle. Antisemitische verbale und körperliche Übergriffe haben in der Schweiz seit dem Hamas-Terrorangriff in Israel am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg in Gaza massiv zugenommen. Das gilt ebenso für die Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft.
Das darf nicht so bleiben!

Als Christinnen und Christen und als Bürgerinnen und Bürger ist es unsere Aufgabe, klar gegen jede Form von Gewalt, Ausgrenzung und Respektlosigkeit Stellung zu beziehen. Es darf nicht sein, dass die etwa 18’000 in der Schweiz lebenden Jüdinnen und Juden in Angst leben müssen. Es darf aber auch nicht sein, dass Musliminnen und Muslime von der Mehrheitsgesellschaft für jede islamistische Attacke verantwortlich gemacht werden. Dazu gehört, mit aller Kraft dafür einzustehen, dass der Religionsfrieden in der Schweiz erhalten bleibt, alle ihr in der Bundeverfassung garantiertes Recht zur freien Religionsausübung pflegen können und die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft gewährleistet wird. Mehr als je ist es nötig, im Unterricht das Thema Antisemitismus4 und Fremdenhass zu behandeln.

Als Pfarrerinnen und Pfarrer, die in unseren (Landes-)Kirchen predigen, unterrichten und Menschen begleiten, bitten wir Sie, in Ihrem Wirken die Botschaft der Bibel sorgfältig zu verkündigen und dabei nicht in antijudaistische oder antisemitische Stereotypen 5 zu verfallen und sich für ein gutes Zusammenleben aller Menschen einsetzen.

Wir bitten Sie, Zeichen der Solidarität zu setzen mit den traumatisierten Menschen in Israel, mit jenen, die Verwandte verloren haben, mit jenen, die weiterhin als Geiseln festgehalten werden und ihren Familien, sowie mit den Menschen, die vertrieben wurden, die in Gaza hungern oder deren Verwandte getötet wurden. In diesem Jahr fällt die Passionszeit zusammen mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan, der durch das ganztägige Fasten eine besondere Beziehung zwischen Menschen und Gott öffnen will.

Vollständiger Artikel mit Liste der Erstunterzeichnenden