Ratsherr Josef Leu aus Unterebersol – Vater des Vaterlandes

Mitbegründer der «Katholisch-Konservativen Partei», der heutigen Partei «Die Mitte»

Ölbild von Ratsherr Joseph Leu, gemalt 1841 von Johann A. Bucher nach ­dessen Romaufenthalt als Schweizergardist. Bild: ZVg

Die Schweiz ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einer revolutionären Phase, die 1847 zu einem Bürgerkrieg führte. Durch die geschickte Kriegsführung von General Henri Dufour, ging er schnell zu Ende. In unglaublich kurzer Zeit erstellte eine Revisionskommission die neue Bundesverfassung. Nur ein Jahr später wird die Schweiz vom Staatenbund zum demokra­tischen Bundesstaat.

Die radikalen und liberalen Kräfte über­nehmen die Macht und haben eine Vision: Sie wollen die Schweiz komplett neu gestalten und dazu ihre Gegner mitein­beziehen.

Blanker Hass auf die Jesuiten und Hoffnungen der Konservativen

An der Person des Luzerner Ratsherrn Joseph Leu (1800 – 1845) zeigt sich, wie festgefahren die Probleme zwischen und in den Kantonen waren. Als 1830 eine demokratische Bewegung gegen die aristokratische Regierung in Luzern Oberwasser bekam, schloss sich ihr auch Joseph Leu an. Er kämpfte im Verfassungsrat und im Grossen Rat für die direkte Demokratie und setzte sich für die Verfassung von 1831 in Luzern ein, wie Roman Bussmann belegen konnte (1831, Das Ende einer Luzerner Geschichtslüge). Politisches Streiten war noch neu. Leu wollte kirchliche Interessen mittels demokratischer Institutionen politisch umsetzen. Am 31. Januar 1841 stimmte das Volk über die Revision der Verfassung ab und folgte der direkt-demokratischen Auffassung von Leu. Wenn er an der Gründung des Klosters Baldegg oder der Waisen- und Armenanstalt Ibenmoos in Hohenrain wesentlich beteiligt war, zeigt dies, dass es bei Leu nicht bei blossen Worten blieb. Er wurde zur Leitfigur der katholisch-demokratischen Kräfte. Joseph Leu forderte seit 1839, die Jesuiten wieder nach Luzern zu holen, wofür er 1844 die politische Zustimmung erhielt. Die Liberalen waren empört. Die Jesuiten wurden zur Zielscheibe heftiger Auseinandersetzungen. 1844 und 1845 kam es zu zwei bewaffneten Freischarenzügen gegen Luzern. Während der Protestant Jeremias Gotthelf zur Mässigung aufrief, goss der junge liberale Gottfried Keller mit seinem Jesuitenlied Öl ins Feuer:

«O Schweizerland, du schöne Braut,
Du bist dem Teufel angetraut!
Ja, weine nur, du armes Kind!
Vom Gotthard weht ein schlimmer Wind – Sie kommen, die Jesuiten!»

Wolf und Leu: Wie Parteien entstehen

Der Bauer, Familienvater und Politiker Niklaus Wolf von Rippertschwand (1756 – 1832) war eine charismatische Persönlichkeit, die auf einen konkreten Glauben setzte: «Es ist nicht genug, dass man glaubt, Gott könne helfen. Das glaubt jeder, welcher an Gott glaubt. Man muss glauben, dass er uns wirklich helfe».

Wolf war Joseph Leu ein Freund und geistlicher Vater, der ihn prägte. Nachdem Wolf die «Bruderschaft zur Verteidigung und Erhaltung des Glaubens» gründete, kam 1840 ein nächster Schritt: Im Gasthaus Rössli in Ruswil unterzeichneten Vertreter der konservativen Volksbewegung unter Josef Leu die «Ruswiler Erklärung», wonach die «Ruswiler Vereinigung» entstand, die später Katholisch-Konservative Partei, dann CVP hiess – und jetzt Partei «Die Mitte».

Ein Schuss: Tod und Signal zum Krieg

Vater Leu, wie man den Grossbauern aus dem Seetal nannte, war zu seinen Lebzeiten sicher der populärste Politiker seines Kantons. Umso grösser der Schock, als er von Jakob Müller, einem Bauern aus dem luzernischen Littau, mit dem Jagdgewehr erschossen wurde. Es war einer der ganz wenigen politischen Morde der Schweiz und fiel in eine Zeit, in der die Schweiz so gespalten war wie seither nie mehr. Der Schuss war das Startzeichen zum Sonderbundkrieg.

Niklas Raggenbas


Hetze, Gewalt und ein Mord:
Die Schweiz vor dem
Sonderbundskrieg

Podcast auf SRF von Lars Gotsch,
und Andrea Christen
www.srf.ch/audio/zeitblende