Das bischöflich-synodale System als unsere Identität und unser Markenzeichen

Gemeinsames Handeln ermöglichen

Eines der Lieblingsgemälde von Bischof Harald Rein ist das Bild «Lebensstufen» des Malers der Romantik Caspar David Friedrich. Bild: Wikipedia

In der römisch-katholischen Kirche wird zurzeit über einen
stärkeren synodalen Weg diskutiert. Wir haben ihn seit 150 Jahren. Aber auch unsere Synodalität muss stets neu eingeübt werden.

Der Begriff der Synodalität kann je nach Perspektive unterschiedlich verstanden und beschrieben werden. Für mich bedeutet unser bischöflich-synodales System, dass wir in wichtigen Fragen auf allen Ebenen (Kirchgemeindeversammlungen, Kantonalsy-noden und Nationalsynode, aber auch in den Behörden und Kommissionen) nicht mit Mehrheit entscheiden, sondern im Konsens, wenn irgendwie möglich. Die Alte Kirche nennt dies Einmütigkeit. Einmütigkeit heisst aber nicht Einstimmigkeit. Konkret und beispielhaft ausgedrückt: 90 Ja und 10 Nein ist für mich Konsens. Es geht also immer um das Finden eines möglichst breit abgestützten Entscheides.

Aber viel wichtiger ist die dahinterstehende spirituelle und gelebte Grundhaltung. Das gemeinsame Suchen nach Lösungen setzt ein grundsätzliches Wohlwollen gegenüber jedem voraus, der einer anderen Meinung ist. Es geht nicht um die eigene Meinung, sondern um das Wohl der ganzen Kirche. Und es ist die zentrale Aufgabe des Bischofs dieses Ganze im Blick zu haben und mitzugestalten.

Was sich verändert?

1982 nahm ich an der ersten christkatholischen Nationalsynode teil. Was hat sich seitdem in meiner Wahrnehmung verändert? Wenn damals Anträge von Bischof und Synodalrat kamen und von den Professoren der Fakultät und wenigen Laiennotabeln unterstützt wurden, war die Sache beschlossen bzw. gelaufen, wenn es nicht um Geld und Zuständigkeiten ging. Schon damals wollten die Kirchgemeinden das Bistum als Organisation möglichst klein halten.

Heute wird offener, vielseitiger und kontroverser diskutiert. Aber die Welt hat sich auch verändert und ihre Herausforderungen in einem säkularen Umfeld. Und dadurch besteht die Gefahr der Polarisierung. Das kann man am besten beim Thema aufzeigen, ob die Gehälter und Anstellungsprozente der Geistlichen weiter allein über die Kirchgemeinden gesteuert werden sollen oder neu über die Nationalsynode. Mein Eindruck ist hier, dass wir noch nicht so weit sind, über dieses Thema objektiv reden zu können, sondern unbewusst über Macht streiten. Denn Synodalität setzt ein kritisches Bewusstsein gegenüber Macht voraus. Und das finde ich richtig. Aber es darf gemeinsames Handeln, das notwendig ist, nicht verhindern. Hier braucht es vermutlich noch viele Gespräche, um eine für alle gute Lösung zu finden. Schmerzlich finde ich, dass es auch bei uns modern wird, Themen, die einem nicht gefallen, durch einen Ordnungsantrag von der Traktandenliste streichen zu wollen. Wir sind als Nationalsynode eine gottesdienstliche Versammlung und kein Parlament.

Im Hinblick auf meinen vorgesehenen Altersrücktritt auf Ende November danke ich den Mitgliedern unserer Nationalsynode und auch den Laien und Geistlichen auf allen Entscheidungs- und Begegnungsebenen für das Vertrauen und das Wohlwollen, dass sie mir als Bischof stets entgegengebracht haben; gerade auch dann, wenn wir unterschiedlicher Meinungen waren. Gerne werde ich weiter zu Nationalsynoden kommen, um am Leben unserer Kirche teilzunehmen, aber als interessiert Zuhörender. Eines meiner Lieblingsgemälde ist das Bild «Lebensstufen» des Malers der Romantik Caspar David Friedrich. C’est la vie! Und meine 2 Enkelinnen und 2 Enkel freuen sich nun auf einen Grossvater, der mehr Zeit für sie hat.

Bischof Harald Rein