Lasst uns heiraten!

Eine Synopsis zur „Ehe für alle“ anlässlisch der Entscheidung der Nationalsynode

Es ist offiziell: Ab dem 1. Juli kann jedes Ehepaar, unabhängig von der Geschlechterkonstellation, in der christkatholischen Kirche getraut werden. Die christkatholische Kirche führt die Ehe für Alle ein.

Der Entscheid der Synode am 11. Juni lässt mein Herz höher schlagen. Es war ein ganzes Stück Arbeit bis zu diesem Resultat, viele in unserer Kirche haben darauf hin gewirkt. Die christkatholische Jugend hat den Prozess angestossen, hier neigt er sich zu einem Ende. Einem guten, wie ich finde. Für alle, die nicht aufgepasst haben, hier ein wenig Hintergrund:

Am 26. September 2021 hat die Schweiz mit einer klaren Mehrheit und in jedem Kanton die Ehe für Alle angenommen. Das heisst, ab dem 1. Juli 2022 können sich gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz gesetzlich trauen lassen.

In den letzten 20 Jahren sind diverse Gesetzesvorlagen vor das Volk gekommen, die die Lebensweise gleichgeschlechtlicher Paare beurteilt haben. Die eingetragene Partnerschaft (2006), und das Anti-Diskriminierungsgesetz (2020) erhielten noch weniger Zustimmung, das deutliche Ja zur Ehe für Alle zeigt, dass die Schweiz ein Zeitalter beschreitet, in dem Schwulen-Rechte selbstverständlich sind.

Für unsere Kirche hat diese Abstimmung eine grosse Bedeutung. Wir mussten uns die Fragen stellen: Wollen wir gleichgeschlechtliche Paare trauen? Wenn ja, wie? Werden alle Paare, unabhängig ihrer Geschlechterkonstellation gleich getraut? Ist die sakramentale Eigenschaft der Ehe abhängig von der Geschlechterkonstellation? Was ist überhaupt Ehe?

Zum Glück hat die Christkatholische Jugend der Schweiz das Thema an der Nationalsynode 2018 in die Runde geworfen, sonst wäre die Auseinandersetzung mit diesen Fragen vielleicht glatt verschlafen worden. Die CKJS hat das Thema mit dem expliziten Ziel aufgegriffen, dass sich unsere Kirche dafür stark macht, dass die zivilrechtliche Öffnung der Ehe angenommen wird, und dass die christkatholische Kirche alle Paare trauen wird. Ich denke, sie war darin einigermassen erfolgreich (wenn ich mich hier mal schamlos selbst loben darf). Aber ich greife vor.

Im Pandemiejahr 2020 hat in Zürich extra eine Sondersession getagt. Wie stehen denn unsere Kirchenmitglieder zum Thema? Nicht nur die Delegierten und der Klerus, sondern alle, die sich für das Thema interessierten, waren eingeladen. Zu Lernen, zu Diskutieren, und schliesslich auch bei der Umfrage abzustimmen. Diese Resultate der Diskussionen und die Umfrage waren ausschlaggebend für die Synodesession im September 2021. Wir wussten schon: Eine grosse Mehrheit der Kirchenmitglieder will eine einheitliche Regelung für alle. Die Geschlechterkonstellation eines Paares soll keinen Einfluss auf die Sakramentalität oder den Ritus bei der Trauung haben. Mit diesem Vorwissen wurde die Synode letztes Jahr mit einer Glaubensaussage präsentiert: «Jede Segnung, die die Kirche einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe zwischen zwei Erwachsenen gleich welchen Geschlechts spendet, ist in gleicher Weise sakramental.»

Das Verfahren, das mit dieser Aussage einher geht, erfordert zwei Lesungen. Jedes Mal können alle Synodalen zu der Aussage «Ja», «Nein» oder etwas anderes sagen, um anzugeben, ob sie mit der Aussage einverstanden sind oder nicht, oder ob sie die Aussage lieber etwas umformuliert hätten. Eine überwältigende Mehrheit sagte 2021 «Ja» zur Aussage. Das Resultat wurde der Internationalen Bischofskonferenz vorgelegt. Unser Bischof fragte die Bischöfe, ob die Umsetzung einer der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare als kirchentrennend empfunden würde.

Ausserdem hat die Synode entschieden, dass die liturgische Kommission den Eheritus neu erarbeiten soll, damit er für jede Geschlechterkonstellation anwendbar ist, individuelle Änderungen vorbehalten.

Damit kommen wir zum 11. Juni 2022. Adrian Suter führt das Thema ein, und lobt den Entscheidungsprozess, den wir bis hierhin durchgemacht haben. Er präsentiert noch einmal die Glaubensaussage:


«Jede Segnung, die die Kirche einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe zwischen zwei Erwachsenen gleich welchen Geschlechts spendet, ist in gleicher Weise sakramental.»

Bischof Harald erzählt, was die Antwort der Internationalen Bischofskonferenz auf unsere Frage ist. Die gute Neuigkeit: Es ist nicht kirchentrennend, wenn wir die gleichgeschlechtliche Trauung einführen. Die anderen alt-katholischen Kirchen werden es zwar nicht alle gleich machen, wie wir es tun, doch sie können mit unserem Vorhaben leben. Allerdings befürchtet die IBK eine ökumenische Isolation, immerhin lebt die grosse Mehrheit der christlichen Kirchen eine andere Praxis, als wir sie einführen wollen.

Um diese Bedenken entsteht in der Synode eine Diskussion. Ich paraphrasiere Erzbischof Bernd, der die Diskussion abschliesst: Das Thema «Ehe für Alle» ist in vielen Kirchen tabu. Wenn wir es nicht adressieren, dann tut es niemand. Also suchen wir den Diskurs darüber, wir akzeptieren Meinungsverschiedenheiten, doch wir wollen zu unseren Überzeugungen stehen. Wir als Altkatholiken haben die Aufgabe, aufrichtig zu sein. Deshalb wollen wir weiter den Weg gehen, den wir eingeschlagen haben.
Dann steht für einen Moment noch die Frage im Raum, was «sakramental» denn genau heisst. Inwiefern ist die Ehe ein Sakrament? Wir beschliessen aber, unsere Sakramentenlehre nicht hier und jetzt auf den Kopf zu stellen. Die Einsegnung einer Ehe ist ein Sakrament, und die Glaubensaussage sagt, dass das unabhängig von der Geschlechterkonstellation so sein soll.

Sobald alle Fragen geklärt sind, findet die zweite Lesung zu der Glaubensfrage statt. Erneut können alle Synodalen antworten mit «Ja», «Nein», oder einer eigenen Formulierung der Aussage. Das Resultat kann kaum eindeutiger sein. Die Ja-Stimmen zählen 94, mit zu je einem Nein und anderem Votum.

Damit ist klar: die «Ehe für Alle» wird in der christkatholischen Kirche eingeführt.

Als nächstes schauen wir den Eheritus an, den die liturgische Kommission erarbeitet hat. Thomas Zellmeyer präsentiert ihn. Er ist durchgehend geschlechtsneutral, enthält keine Referenzen auf allfällige Familiengründung oder ähnliches, dafür eine optionale Variante für Menschen, die eine Zweitehe eingehen. Das Formular soll für 2 Jahre eingesetzt werden, danach soll es, falls der Bedarf dafür besteht, noch einmal überarbeitet werden, in Einklang mit den gesammelten Erfahrungen. Hier wird klar betont, der Einsatz des Formulars ist nicht provisorisch, nur der Einsatz genau dieser Textfassung.

Dieser Vorschlag wird mit grosser Mehrheit angenommen.

Das heisst, ab dem 1. Juli (sobald es in der Schweiz zivilrechtlich legal ist) können gleichgeschlechtliche Paare in unserer Kirche heiraten, genau so, wie es heterosexuelle Paare tun. Jedes Paar, unabhängig der Geschlechterkonstellation, kann vor einem christkatholischen Altar einander das Ja-Wort geben.

An dieser Stelle will ich den Platz, den ich hier mit Worten füllen darf, für meine persönlichen Zwecke missbrauchen.

Im Jahr 2017 hatte ich zum ersten Mal die Idee, dass die christkatholische Kirche sich für die Ehe für Alle stark machen könnte. Schritt eins: So viele christkatholische Jugendliche wie möglich zum Thema befragen. Schliesslich soll der Vorstoss von der Jugend kommen, nicht nur von mir. Die riesige Unterstützung, die ich dabei fand, bestärkte mich. Das Thema ist wichtig, und wir Jugendliche wollen unsere Kirche aufrütteln! Schritt zwei: mich an Erwachsene wenden, immerhin will ich ja einen positiven Eindruck erwecken und etwas lang Anhaltendes bewirken, da muss man schon schauen, dass man nicht die falschen Leute überfährt. Dass ich auch hier viel Unterstützung für mein Anliegen fand, machte den dritten Schritt (der Synode im Jahr 2018 unser Anliegen vorzutragen) fast zu einer Leichtigkeit.

Ab da wurden so viele tolle Menschen aktiv, haben sich so viele grossartige Menschen an der Diskussion beteiligt, es wurde mitgewirkt, organisiert, veranstaltet, ich kann es noch immer kaum glauben. So oft wurde mir dafür gedankt, dass die Jugend den Diskussionsprozess gestartet hat. Das hier ist ein Dankeschön an alle, die die eigentliche Arbeit geleistet haben. Ohne sie wäre dieses so positive Resultat nie zu Stande gekommen. Danke! Dank euch kann nun jede Person in der christkatholischen Kirche die Liebe feiern.

Aischa Amrhein