Keine Berührungsängste mit Spiritualität

Die Gemeinschaft des hl. Johannes des Täufers

Steinmännchen in einem Flussbett. Foto: Markus Bilz, Pixabay

Die Gemeinschaft des hl. Johannes des Täufers besteht seit über 50 Jahren und leistet einen wesentlichen Beitrag zum spirituellen Leben unserer Kirche. Die Mitglieder verpflichten sich, den Gottesdienst der Kirchgemeinde am Sonntag zu besuchen, täglich die Laudes oder die Vesper zu beten und an den gemeinsamen Retraiten teilzunehmen.

Die christkatholische Kirche hat sich in der Zeit ihrer Entstehung auf die Bildung von Gemeinden fokussiert; Klöster und geistliche Gemeinschaften sind seit der Gründung keine entstanden. Im Gegenteil, sie wurden bekämpft. Der erste Präsident des christkatholischen Synodalrats, Augustin Keller, hatte sich in seiner Jugendzeit 1841 in vorderster Linie im Kampf um die Aufhebung des Klosters Wettingen beteiligt. Spiritualität wurde in der christkatholischen Kirche im gemeinschaftlichen Leben der Kirchgemeinde oder der Gesamtkirche gelebt. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts machte sich der Wunsch bemerkbar, der Spiritualität der Einzelnen mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten.

So entstand im August 1968 die Gemeinschaft des hl. Johannes des Täufers – noch unter dem früheren Namen «Bruderschaft» – auf Grund einer Initiative der drei Solothurner Christkatholiken Andreas Amiet, Margret Koch und Urs von Arx. Sie gewannen den Oltner Pfarrer Franz Ackermann als Rektor, das heisst als geistlichen Leiter, und erhielten für das Anliegen der Gemeinschaft auch den ausdrücklichen Segen des damaligen Bischofs Urs Küry. Das war entscheidend, da Gebetsvereinigungen damals mit der stark gemeindeorientierten christkatholischen Mentalität kaum in Einklang zu bringen waren und ausserdem im Geruch der Frömmelei standen. Das Ziel der Gemeinschaft war und ist, einen Beitrag zur «kirchlichen Erneuerung im gottesdienstlichen Leben» zu leisten.

Konkret machen sich die Mitglieder gemäss den immer noch geltenden Statuten Folgendes zur Regel:

  • Sie besuchen den Gottesdienst der Kirchgemeinde am Sonntag je nach örtlicher Möglichkeit.
  • Sie beten täglich die Laudes oder die Vesper, allein oder zusammen mit anderen.
  • Sie nehmen an den gemeinsamen Retraiten teil.

Seitdem sind fast 50 Jahre vergangen. Die Gemeinschaft existiert noch immer, auch wenn sie nun etwas überaltert ist. Ihr Anliegen der Erneuerung der Kirche aus der Kraft des Gebetes ist aber immer noch gleich aktuell wie in der Gründungszeit. Die geistliche Leitung der Gemeinschaft hat gewechselt: 1980 gab Pfr. Franz Ackermann das Amt des Rektors an Prof. em. Urs von Arx weiter, der 41 reich erfüllte Jahre wirkte, und 2021 das Amt an Pfr. em. Christoph Bächtold weitergab.

Für das tägliche Morgen- oder Abendgebet dient seit 1982 das «Kleine Stundenbuch» der deutschsprachigen römisch-katholischen Bistümer. Damit ist ein einfaches und doch reichhaltiges Beten möglich. Gegenwärtig beschäftigen sich das Kapitel und die Mitglieder intensiv mit der Frage, wie das regelmässige Gebet im Tagesablauf auch unter völlig veränderten Lebensgewohnheiten strukturiert werden kann. Können die herkömmlichen Gebetszeiten beibehalten werden? Was gibt es für Alternativen? Sollen neue Formen des Gebets gesucht werden? Nach einer in diesem Frühjahr durchgeführten Umfrage unter den Mitgliedern werden diese Fragen am kommenden Generalkapitel besprochen.

Die Mitglieder der Gemeinschaft treffen sich jedes Jahr um den 24. Juni, dem Tag der Geburt des hl. Johannes des Täufers, zum Generalkapitel (der Jahresversammlung). Dieses wird gerahmt durch eine Eucharistiefeier am Morgen und eine Vesper am späteren Nachmittag; neben den kurzen statutarischen Geschäften wird meistens mit einem Impulsreferat ein Thema zu einer Aussprache eingeleitet.

Die Gemeinschaft organisiert regelmässig im Herbst und im Frühling je eine zweitägige Retraite zu einem spirituellen Thema. Bisher wurden über 100 Retraiten durchgeführt. Dabei nehmen nicht nur Mitglieder teil, sondern auch Menschen, die das Anliegen der Gemeinschaft teilen und mit ihr zusammen christliche religiöse Reflexion und Erfahrung suchen. An diesen Einkehrtagen vermitteln Referenten und Referentinnen aus der eigenen oder einer anderen Kirche immer wieder neue Aspekte und Einsichten in das, was Leben im Glauben im weitesten Sinn heisst. Einige Themen der letzten Retraiten sollen hier genannt werden: Musik aus der Stille – eine Begegnung mit Arvo Pärt, Einblicke in die Spiritualität der Armenischen Kirche, König David – Musiker und Herrscher, Kirchenmusik und Spiritualität im barocken Frankreich.

Diese Retraiten sind geprägt durch das regelmässige gemeinsame Gebet am Morgen, am Mittag und am Abend sowie die Eucharistiefeier, aber auch durch den besonderen Ort, wo sie stattfinden. Von 1968 bis 2001 wurden die Retraiten mit drei Ausnahmen im Franziskushaus in Dulliken durchgeführt. Seitdem finden sie im Kloster Namen Jesu in Solothurn statt, wo die Kapuzinerinnen die Gemeinschaft jedes Mal sehr herzlich empfangen und zwei Tage lang an ihrem Leben im Kloster intensiv teilhaben lassen.

Auf eine Initiative der Gemeinschaft des hl. Johannes des Täufers ist 1970 die «Arbeitsgemeinschaft für ein christkatholisches Offizium» (AGO) entstanden. Sie hat die Vorlagen für die grossen (Vesper und Laudes) und kleinen Tagzeiten (Terz, Sext, Non, Komplet) erarbeitet, von denen 1980 das «Vesperbuch», ein blaues Ringbuch im Querformat erschienen ist. Ein weiterer Teil der Arbeit der AGO ist in das Christkatholische Gebet- und Gesangbuch (CG) eingegangen.

Die Gemeinschaft zählt heute vierzehn Vollmitglieder. Das dreimal im Jahr erscheinende Mitteilungsblatt geht darüber hinaus an einen weiteren Kreis von interessierten Personen, von denen einige auch immer wieder an den Retraiten teilnehmen. Das Kapitel besteht gegenwärtig aus: Pfr. em. Christoph Bächtold, Rektor (Muttenz BL), Sibylle von Arx-Ackermann, Aktuarin (Olten) und Annette Studer, Kassierin (Langendorf SO). Die Gemeinschaft ist finanziell selbsttragend; alle Auslagen werden von den Spenden der Mitglieder und der Gäste getragen.

Das nächste Generalkapitel findet dieses Jahr ausnahmsweise erst am Samstag, 13. August, in Kirche und Gemeindehaus Solothurn statt, und die nächste Retraite am Samstag/Sonntag, 12./13. November im Kloster Namen Jesu in Solothurn. Dort wird die Neuvertonung von Laudes und Vesper von Johann Sonnleitner einstudiert, gesungen und gebetet.

Spiritualität leben – auch in einer völlig veränderten Zeit und Umwelt – ist eine grosse Herausforderung. Die Gemeinschaft des hl. Johannes des Täufers stellt sich ihr täglich neu.

Pfr. em. Christoph Bächtold
Rektor

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