Keine Spur von Hysterie

Interview mit Pfarrer Michael Bangert von der Predigerkirche

Ref.ch: Herr Bangert, bis vor Kurzem fanden in der Predigerkirche Gottesdienste statt, nun testet das Universitätsspital Basel dort Menschen auf Corona. Wie muss man sich die Situation in der Kirche vorstellen?

Michael Bangert: Die Teststation des Universitätsspitals hat am 9.  März den Betrieb aufgenommen. Dazu musste die Leutkirche – also der Raum vor dem Lettner – vollständig ausgeräumt werden. Glücklicherweise haben wir Stühle und keine Bänke in der Kirche, sodass dies relativ leicht ging. Auch alle religiösen Gegenstände haben wir in die Chorkirche gebracht. Anschliessend wurde der Boden mit einer Folie abgeklebt und es wurden Schutzwände errichtet. Die Anlage enthält einen Wartebereich und mittlerweile 8 Behandlungsstationen, an denen Abstriche genommen werden. Aus verschiedenen Gründen ist unsere Kirche geradezu ideal als Empfangsstation.

Warum?

Zum einen liegt die Predigerkirche unmittelbar neben dem Universitätsspital. Schon dadurch lag es nahe, unseren Raum zur Verfügung zu stellen. Ausserdem bietet die Kirche eine Fläche von rund 500 bis 600 Quadratmetern. Eine Rolle spielte schliesslich, dass die Luftfeuchtigkeit aufgrund der Bodenheizung aussergewöhnlich gering ist. Das ist schlecht für die Orgeln, aber gut für die Eindämmung des Virus, das ja vor allem durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Und: Unsere Kirche hat als ehemalige Klosterkirche eines sog. Bettelordens eine bestimmte Verpflichtung zur Armensorge, der wir uns als christkatholische Kirchgemeinde stellen.

War es die Idee der Kirchgemeinde, dem Universitätsspital ein Gebäude zur Verfügung zu stellen?

Ja, schon vor vielen Jahren haben Kirchenrat und Seelsorgeteam darüber nachgedacht, wie wir etwas zum Wohl der Stadtgesellschaft betragen können. Diese «Vorratsentscheidung» haben wir nun konkretisiert. Wir leisten in diesem Fall einen Beitrag zur Entlastung des Universitätsspitals und der PatientInnen. Diese Entscheidung gründet in unserer christlich bestimmen Ethik und der praktischen Vernunft. Es ist auch Ausdruck der weltzugewandten und menschenfreundlichen Frömmigkeit unserer Kirchgemeinde.

Wer wird in der Station behandelt?

Vor allem Menschen, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie sich mit dem Virus infiziert haben. Diese Leute werden vom Universitätsspital, aber auch von anderen Kliniken und Hausärzten überwiesen. Andere kommen von sich aus, um sicherzustellen, dass sie nicht krank sind. In der Kirche werden Nasen-Rachen-Abstriche und Blutentnahmen gemacht. Je nach Schweregrad werden die positiv Getesteten nach Hause in die Quarantäne geschickt oder hospitalisiert.

Corona sorgt in der Bevölkerung für eine grosse Verunsicherung. Wie nehmen Sie die Stimmung vor Ort wahr?

Aus Präventionsgründen haben wir als kirchliche Mitarbeitende natürlich keinen Kontakt zu den Patienten. In der Kirchgemeinde ist Corona ein ausserordentliches Thema. Gerade jetzt, wo wir die zentralen Feiern des Jahres – die heilige Woche mit Palmsonntag, Hohem Donnerstag, Karfreitag, Osternacht und Ostermorgen – nicht gemeinsam feiern können. Das stimmt uns traurig und ist bitter. Wir versuchen, ruhig und besonnen zu handeln. Wir haben viele Anrufe von Gemeindemitgliedern, die das Gespräch suchen, weil sie sich Sorgen machen. Zum Beispiel wollen sie wissen, wohin sie noch gehen dürfen. Viele ältere Mitglieder sind sich bewusst, was zu tun ist. Es ist unser Ziel, durch Briefe, Telefon und Internet miteinander in Kontakt zu bleiben. Und wir sind im Gebet verbunden!

Heimito Nollé (ref.ch)