Kleine biblische Zoologie – Folge VI

Teurer, aber nützlich

Bei den meistgenannten Tieren folgt auf das Schaf das Rind. Erst die Domestizierung des Rindes legte die wirtschaftliche Grundlage, um Hochkulturen entstehen zu lassen. Der Buckel der mit dem Zebu verwandten Rinder diente, wie der Fettschwanz beim Schaf und der Höcker des Kamels, als Fettspeicher. Die Tiere waren wegen ihres hohen Futterbedarfs teuer, waren aber auch stark. Sie konnten Wagen und Pflüge ziehen. So konnten grosse Felder beackert und Überschuss produziert werden. Vorratshaltung und Handel wurden möglich. Dies führte auch zur biblischen Einsicht: «Wo keine Rinder sind, da ist die Krippe leer; aber die Kraft des Ochsen bringt reichen Ertrag.» (Spr 14,4). Ochsen, wie sie Luther hier und anderswo übersetzte, gab es in Israel allerdings nicht, da die Kastration von Tieren verboten war (3.Mo 22,24).

Natürlich konnten sich nur die wohlhabenden und sesshaften Menschen Rinder leisten. Wohl deshalb bildete der Genuss von Rind- oder Kalbfleisch auch eher die Ausnahme. Allerdings ist die Schlachtung eines Kalbes zu besonderen Anlässen auch in der Bibel bezeugt: Abraham und Sara etwa taten dies für die drei unbekannten Männer, die sie in Mamre besuchten (1.Mo 18,7). Im Gleichnis vom verlorenen Sohn tat dies der Vater bei seiner Rückkehr (Lk 15,23). Wie das übrige Hausvieh hatten die Rinder auch Anrecht auf die Sabbat-Ruhe (5.Mo 5,14). Ein Rind, das einen Menschen durch Hornstoss tötete, wurde hierfür zur Rechenschaft gezogen und getötet, sofern man seinem Besitzer nicht Nachlässigkeit nachweisen konnte (2.Mo 21,28-31). Bekannt ist auch die Vorschrift, wonach man einem Rind beim Dreschen das Maul nicht verbinden darf (5.Mo 25,4). Tierschutz war damals kein leeres Wort.

Das Rind war auch ein wichtiges Opfertier. Fremdartig muten uns die Sündopfer-Regeln an, bei denen eine «rote Kuh» zu opfern war, um mit deren Asche Wasser herzustellen, das zur Reinigung von Menschen diente, die mit irgendwelchen toten Menschen in Kontakt gekommen waren (4.Mo 19,1-22).

Jürg Meier (Text und Foto)