Wirkt der Segen auch über den Bildschirm?

In der Corona-Krise ist manches zum Normalfall geworden, was früher die Ausnahme war – zum Beispiel der Gottesdienst am Bildschirm. Wird uns auch über diesen Kanal Gottes Gegenwart geschenkt?

Pfarrer Lars Simpson erteilt den Segen am Ende des TV-Gottesdienstes

Für Menschen, die nicht mehr mobil sind, war der Gottesdienst am Fernsehen schon früher ein willkommener Weg, am kirchlichen Leben Anteil zu nehmen. Doch sie wussten und sahen immer: Da ist auch eine Gemeinde versammelt, die zusammen in der Kirche feiert. Heute ist dies – vorübergehend! – nicht der Fall: Ausser den wenigen Mitwirkenden sind wir alle zu Zuschauerinnen und Zuschauern an den Bildschirmen geworden.

Wir können Lesungen und Predigt hören, aber der Pfarrerin, dem Pfarrer nicht antworten und keinen Blickkontakt aufnehmen. Wir können die Musik hören, aber nicht zusammen singen. Wir können die Kommunion anschauen, aber nicht empfangen. Wir sind weniger involviert. Wenn wir den Gottesdienst in der Kirche besuchen, dann ist uns in Brot und Wein Gegenwart Gottes und die Nahrung zum ewigen Leben versprochen. Der Heilige Geist wird auf uns herabgerufen, der Schutz und Segen Gottes werden uns zugesprochen. Aber wie sieht es aus, wenn wir den Gottesdienst am Bildschirm verfolgen? Was beim Gottesdienst am Bildschirm offensichtlich fehlt, ist die reale Gemeinschaft mit den anderen Mitfeiernden. Ist diese Gemeinschaft unnötiger Luxus, auf den man auch verzichten kann?

Was braucht es mindestens?
In der klassischen Sakramententheologie wurde gerne die Frage nach den Mindestanforderungen gestellt, damit ein Sakrament gültig ist: Soll eine Taufe durch Untertauchen, Übergiessen oder Besprengen vollzogen werden? Das Minimum für die Gültigkeit sei, dass der Täufling mit dem Wasser in Berührung komme. Und wenn man kein Wasser habe, könne man für eine Nottaufe auch dünne Suppe nehmen, das sei gültig.

Diese Art von Diskussionen wirken in christkatholischer Theologie fremd. Sie führen dazu, dass man sagt: Wenn diese Mindestanforderung doch reicht, warum machen wir dann überhaupt mehr? Ein Kind ist ja nicht «getaufter», wenn es mit Wasser übergossen statt nur mit einem Tröpfchen benetzt worden ist. Doch kommt im Benetzen auch zum Ausdruck, was mit der Taufe gemeint ist?

Gott erfahrbar machen
Dies ist die wesentliche Frage für christkatholische Theologie: Wie bringen wir im Ritus am besten zum Ausdruck, was theologisch gemeint ist? Wie machen wir am besten für die Menschen erfahrbar, was Gott uns zuspricht und schenken will? Vor diesem Hintergrund ist die Gemeinschaft der Mitfeiernden gewiss kein unnötiger Luxus! Wir legen im Gottesdienst auf vieles wert, das über die unbedingt nötigen Mindestanforderungen hinausgeht: Wir verwenden beispielsweise kostbare Gefässe für Brot und Wein, weil wir das Geschenk Gottes – die Gegenwart seines Sohnes Jesus Christus – ehren und zum Ausdruck bringen wollen. Wir könnten die Eucharistie auch mit Pappbechern feiern, das Sakrament wäre gültig –, aber dann wäre das Wertvolle, das uns geschenkt wird, nicht mehr erkennbar. Der hohe Wert für unser Leben käme nicht richtig zum Ausdruck.

In Ausnahmesituationen
Aber wie sieht es in Extremsituationen aus? Gestrandet nach einem Schiffsunglück auf einer einsamen Insel oder gefangen im Konzentrationslager, ist die Eucharistie da verboten, wenn man keine goldenen Gefässe hat? Natürlich nicht! Wenn man auch nicht so feiern kann, wie man im Idealfall gerne würde, dann feiert man mit dem, was man hat. Die Coronakrise ist zwar nicht so extrem wie ein Gefangenenlager, aber dennoch eine Ausnahmesituation. Deswegen feiern wir zur Zeit anders – im Moment nur am Bildschirm, ab Mitte Juni in der Kirche mit Schutzkonzept. Wir gehen, der Not gehorchend, Kompromisse ein und feiern manches nicht so, wie wir es uns wünschen würden.

Die entscheidende Frage ist: Kommt in unseren Gottesdiensten das, was Gott uns schenken will, trotzdem zum Ausdruck? Ist die Gegenwart seines Sohnes Jesus Christus in unserer Mitte erfahrbar? Dies können wir mit gutem Gewissen bejahen: Wenn der Mensch zu Hause sich auf den Gottesdienst am Bildschirm einlässt, ist Gottes Gegenwart erfahrbar. Wenn der Bildschirm der einzige Weg ist, um Gottes Zuspruch, Gottes Segen und Gottes Geschenk zu empfangen, dann ist die Gabe Gottes gewiss nicht weniger wirksam. Und wenn es (wieder) anders geht, werden wir dankbar Gottes Gegenwart gemeinsam feiern und wir erfahren sie vielleicht sogar noch deutlicher als früher.

Pfr. Adrian Suter

Eine Übersicht mit allen TV-Gottesdiensten unserer Kirche finden Sie hier.