Nun sind wir «unterwegs»

Vernissage der Jubiläums-Wanderausstellung in Luzern

Die Ausstellung stösst auf interessierte Besucherinnen und Besucher. Bild: Jakob Ineichen, Luzern

Bei der Vernissage der Wanderausstellung «unterwegs» in der Christuskirche in Luzern fragte, ein Teilnehmender: «Wann ist die Christkatholische Kirche denn genau entstanden?» Ein Historiker zuckt zusammen, wenn man darauf sagt: «Vor 150 Jahren!» Die christkatholische Kirche ist nämlich nicht von heute auf morgen entstanden. Sie hat ihre Eigenständigkeit erst allmählich in den Jahren 1871 bis 1876 erlangt. Es dauerte einige Jahre, bis sie sich neben den anderen Kirchen zu behaupten verstand und ihren eigenen Weg fand.

Aus der Vergangenheit in die Zukunft

Mit dem Namen «unterwegs» hat die Ausstellung ihr Programm und kann mehrdeutig verstanden werden. Einmal macht sie sich auf den Weg, ist von Kirchgemeinde zu Kirchgemeinde «unterwegs» und dann fächert sie auf, wie sich die Christkatholische Kirche immer wieder neu bewegt und auf ihrem Weg, «unterwegs» ist. Es waren Antworten auf die drängenden Fragen der damaligen Zeit, die an Aktualität nichts eingebüsst haben. Mit dem Ausbau des Bahnnetzes und der Schiffsrouten entstanden nicht nur neue Verkehrswege, sondern auch neue Zentren, die auf diesen Zuwachs nicht genügend vorbereitet waren. Nach den verschiedenen kriegerischen Ereignissen verschoben sich die politischen und wirtschaftlichen Gewichte. Die neuen Fabrikanlagen um die Städte herum wuchsen rasant an, weil sich unter dem Stichwort «Industrialisierung» auch die Arbeitsweise, die Wohnverhältnisse, die Lebensbedingungen und die religiösen Zugehörigkeiten veränderten.

Auswandern in die USA oder Verarmen?

In all den Veränderungen konnte es nicht ausbleiben, dass grosse Not entstand, viele Menschen ihr Glück in den USA suchten und in der Gesellschaft immer mehr der Ruf nach Mitteln laut wurde, wie man die missliche Lage der Menschen verbessern könnte. Die Kirchen waren herausgefordert und bei den vielen verschiedene Konflikten konnte es nicht ausbleiben, dass heftig um den richtigen Weg gerungen wurde. Einige Frauen und Männer sahen eine Möglichkeit, sich in einer Kirche einzusetzen, die sich wieder auf die alten Grundlagen des Christentums beruft. Nach und nach entstand die Christkatholische Kirche und noch heute leben etwa im Wegenstettertal Kirchgemeindemitglieder, die erfahren haben, wie heftig die Auseinandersetzungen um die simultane Benutzung der Kirchen oder das Heiraten zwischen den Konfessionen war.

Zugänge zur Ausstellung nach Baustellenprinzip

Das Konzept der Ausstellung beinhaltet unterschiedliche Zugänge. Man kann nur Bilder und Videos anschauen, Texte lesen, sich überraschen lassen oder genau nach Plan, die einzelnen Tafeln studieren. Die Ausstellung ist für Familien genauso geeignet, wie für Schülerinnen und Schüler oder für Einzelpersonen, die noch nie etwas von «Christkatholisch» gehört haben. An der Vernissage am 24. September in der Christuskirche an der Museggstrasse in Luzern, hat Bischof Harald mit seiner Ansprache den Startschuss zur Wanderausstellung gegeben. Passioniert hat er das Ziel vorgestellt, das Synodalrat und Bischof gegeben haben: Es ist vieles angelegt, was uns durch die Heilige Schrift und ihre Auslegungen, die Abmachungen mit anderen Kirchen und die Beschlüsse der Kirchgemeinden und verschiedenen Synoden gegeben ist. Für die Ausstellung soll ein Leitfaden gezeigt werden, der immer von den Grundideen von damals zum Heute und in die Zukunft reicht.

https://www.christkatholisch-unterwegs.ch/


Bischof Harald Rein zur Eröffnung der Ausstellung (gekürzte Rede)

«Das Recht, seine Meinung sagen zu dürfen»

Die Wanderausstellung ist ein guter und motivierender Grundstock für weitere Anlässe und Initiativen, sich primär mit der Zukunft unserer Kirche auseinander zu setzen. Das ist aber nur möglich, wenn man die Hintergründe kennt, wie die eigene Identität entstanden ist und begründet wurde. Die Geschichte gestaltet die Gegenwart mit, ähnlich wie jeder Mensch Teil seiner bisherigen Biografie ist. Aus den vielen Möglichkeiten, greife ich eine Frage heraus: «Was bedeutet der christkatholische Freiheitsbegriff heute?» Wie in keiner anderen altkatholischen Kirche war unsere Entstehung nicht durch die Wirren und Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils hinsichtlich Unfehlbarkeit und Jurisdiktionsprimat des Papstes geprägt, sondern mindestens zugleich durch den Kulturkampf, in dem die römisch-katholische Kirche schlicht als Feind des Liberalismus, des Individualismus und der modernen Welt galt, auch im Hinblick auf die naturwissenschaftlichen und historischen Erkenntnisse.

Was stand in den damaligen Konflikten eigentlich als Hauptthema im Vordergrund? Meine These ist: «Das Recht, seine Meinung sagen zu können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen und sein Leben so zu gestalten, wie man es für richtig hält.» Und dieses Hauptthema halte ich heute noch nach wie vor für aktuell.

Denn die mediale Welt beeinflusst Meinungen massiv. Diese richten sich mehr nach den Mehrheitstrends und den vorgegebenen Meinungen. Wer nicht im gesellschaftlichen Denken im Mainstream ist, fällt unangenehm auf. Auch bei unseren Synoden hat man neuerdings den Eindruck, Delegierte schauen bei ihrer Stimmabgabe zuerst, wie die anderen stimmen. Geklatsche und Zwischenrufe nehmen zu.

Oft wird in kritischeren Medien geschrieben, dass jemand mutig sei, weil er seine ehrliche Meinung gesagt habe. Wo sind wir hingekommen, wenn das eigentlich Selbstverständliche als mutig gilt? Gerade in der Gemeinschaftsform «Kirche» darf niemand verstummen, weil er soziale Isolation fürchtet, egal was seine Meinung zu einem bestimmten Thema ist. Die individuelle Meinungsfreiheit ohne Gruppendruck befürchten und erleben zu können, zugleich bei gemeinsamen Lösungen den Konsens zu suchen, ist fester Bestandteil der schweizerischen Gesellschaft und unserer Kirchenkultur: Keine Kirche ist so stark strukturell mit dem politisch gesellschaftlichen System identisch. Aber gerade deshalb gilt es, diesem Wert Sorge zu tragen. Denn gerade die gesellschaftlichen Diskussionen über die Ehe für Alle oder sich nicht impfen zu lassen, zeigen wie schwierig das Ganze heute ist. Wo liegt die Grenze zwischen freier Meinungsäusserung und andere zu diskriminieren? Die Antwort lasse ich bewusst offen.
Ich bin gespannt auf den Prozess in den nächsten Jahren. Ich wünsche allen Ausstellungsbesuchenden, dass sie die christkatholische Kirche neu entdecken und dass die Wanderausstellung mit anregenden und herausfordernden Diskussionen verknüpft ist: Viel Erfolg und Gottes Segen!

(gekürzt von Niklas Raggenbass)


Lieber Bischof Eduard Herzog

Es freut mich, dass ich eine Antwort auf Ihren Hirtenbrief zur Fastenzeit von 1895 schreiben darf (…) Ich bin beeindruckt, wie Sie auf das apostolische Schreiben von Papst Leo XIII. zur Frage der christlichen Einheit reagieren. Ich lese Ihren Hirtenbrief nicht als kämpferische Reaktion oder als Angriff, sondern vielmehr als eine Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Kirche, das alle Menschen mit einschliesst, begleitet und unterstützt. Sie entfalten in Ihrem Hirtenbrief ein Verständnis, das mir nicht fremd ist. Dazu gehört, die Kirche als Raum zu verstehen im Spannungsfeld von Individuum und Gemeinschaft. Mich berührt Ihre Aussage: „Dann würden die Schwachen in der Zugehörigkeit zu der ganzen grossen Gemeinschaft einen kräftigen Halt haben, der sie niemals wankend werden liesse.“ (…) Ich freue mich auf Ihre Antwort – irgendwann einmal! – im Lesen und in der Auseinandersetzung mit Ihren Gedanken, die unter anderem in den Hirtenbriefen überliefert sind.

Aus dem Berner Oberland grüsse ich Sie in aufrichtiger Verbundenheit

Patrick Zihlmann


Adrian Suter und Pr. Patrick Zihlmann, die mit anderen zusammen die Ausstellung auch mehrsprachig konzipierten, zeigten beim ersten Tag der Ausstellung, wie ein spielerischer Umgang mit der Vergangenheit ein Licht auf die Gegenwart werfen kann. In der kurzweiligen Moderation fokussierte Pfr. Adrian Suter das Grundanliegen der Christkatholischen Kirche: «Aus der Vergangenheit gemeinsam Wege für Zukunft zu finden». Und wenn die Luzerner Zeitung zur Eröffnung den Titel setzte «Gegensätze als Herausforderung», konnte die Journalistin den Glutkern ausmachen, der jeder «Synode» – jedem «gemeinsamen Weg», wie das griechische Wort heisst – seine ermutigende Dynamik gibt. Ganz im Vertrauen auf das Siegelwort des Bischofs Eduard Herzog, das auch uns zugesprochen ist, wo wir von Gott in die Pflicht genommen werden, und das in der Museggkirche gross auf die Wand geschrieben wurde: «Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit!» (2 Kor. 3, 17)

Niklas Raggenbass