Segen für Tiere – oder Tiere als Segen

Das Gute, das wir durch Tiere erleben, ist mannigfaltig.

Haustiere sind unsere Helfer und Begleiter im Leben, und können uns Menschen auf ihre Art die Güte und Menschenfreundlichkeit des Schöpfers zeigen. Brauchen sie dazu den Segen in der Kirche?

Kalina ist 33 Jahre alt und hat seit ihrem achten Lebensjahr chronische Schmerzen und das chronische Erschöpfungssyndrom (CFS). Ihre Tiere helfen ihr, jeden Tag damit
zu leben. Bild: zVg

Für viele – vor allem ältere – Menschen ist ein Haustier oft der einzige «Gesprächspartner». Reden mit der Katze oder mit dem Hund ist für sie ganz normal und gehört für etliche alleinstehende, verwitwete Personen zum sonst einsamen Alltag.

Tiere können eine grosse Hilfe sein. Eine Frau im Altersheim hat mir erzählt, wie ihre Katze sie weckte, als im Zimmer ein Brand ausbrach. «Ich war tief am Schlafen und habe nicht gemerkt, dass ich in Lebensgefahr war. Da hat die Katze mich ins Ohrläppchen gebissen, bis ich wach war.» Mit ihrem Instinkt merken Tiere Bedrohungen weit voraus. Es ist erwiesen, dass Hunde ein Erdbeben lange spüren, bevor es eintrifft.

Für mich persönlich gehören Ponys und Pferde zum Alltag. Es ist schön, am Morgen mit einem Wiehern begrüsst zu werden und die Dankbarkeit für die Pflege, das Heu und das frische Wasser zu spüren. Mit meinen Pferden kann ich vielen Kindern den Zugang zu einem lieben und intelligenten Tier ermöglichen. In verschiedenen Therapiemethoden (Hippotherapien) helfen Pferde Menschen mit besonderen Bedürfnissen, und auch unsere Tiere leisten ihren Beitrag. Simons Mutter musste nach seiner Geburt hören, dass er nie seinen Kopf werde heben können. Seine Eltern machten Hippotherapie mit ihm und er kam mehrere Jahre zu uns. Nach anfänglichen Verkrampfungen machte er kontinuierliche Fortschritte auf unserem New Forest Pony. Jetzt schafft er es sogar, Velo zu fahren. Kalina, mit einer schweren Muskelbehinderung, hat ein eigenes Pferd bei uns und hat nicht nur körperliche Verbesserung, sondern neue Lebensfreude bekommen (siehe Box auf Seite 4).

Tiere sind ein Segen

Es wird darüber nachgedacht, ob es angebracht ist, Tiere zu segnen. Ich kenne römisch-katholische Pfarreien, die Gottesdienste mit Tiersegnungen durchführten. Es kamen scharenweise Leute mit allen Arten von Tieren. Es zeigt sich, wie wichtig den Gläubigen ihre Haustiere sind, dass sie diese auch unter den Segen und den Schutz Gottes stellen wollen. Gemeinsam mit einer befürwortenden reformierten Pfarrerin gab es dann auch einen ökumenischen Gottesdienst, doch ein Beschluss der reformierten Kirchenpflege untersagte einen weiteren. Vielleicht regt dieser Artikel eine Diskussion an, wie die Christkatholische Kirche Tiersegnungen beurteilt. Wir kennen ja verschiedene Segnungsformen – sie nehmen in unseren Ritualen einen weiten Raum ein –, doch ein Formular für Tiersegnungen oder ein noch weiter gehendes Ritual gibt es nicht. Zwar steht im Gebet- und Gesangbuch einleitend zu den Segnungen: «Segen ist die Kraft der Liebe und der Ausdruck der Fürsorge Gottes für ein gelingendes Leben seiner Geschöpfe.» Tiere sind doch auch Geschöpfe Gottes; warum sollen sie nicht gesegnet werden? Verschiedene Konfessionen beurteilen diese Frage sehr unterschiedlich, von strikt ablehnend bis befürwortend. Einen ganz einfachen gemeinsamen Nenner können wir in der Tatsache finden, die ich so formulieren möchte: Tiere sind ein Segen für uns Menschen.

Heilige Kühe – heilige Hunde

Vor vielen Jahren kam ein indischer Priester zu einem Gruppenabend mit Jugendlichen. Es ging darum, aus erster Hand etwas über Indien zu erfahren: die Art, dort zu leben, die Kultur und auch die Religion. Besonders hilfreich schien es mir, einen Theologen in die Runde einzuladen und ihm Fragen zum Vergleich zwischen Christentum und Hinduismus zu stellen. Wie nicht anders zu erwarten, kam sehr bald das Thema «heilige Kühe». Warum ist das so, warum werden keine Kühe geschlachtet und warum esst ihr kein Rindfleisch? Der Priester lächelte und antwortete mit einer Gegenfrage: «Wie ist es mit euren heiligen Hunden?» Da waren die jungen Leute bald einig, dass Hunde doch nicht heilig sind. «Schlachtet ihr denn Hunde, und wer von euch hat schon Hundefleisch gegessen?» Das weitere Gespräch ging dann um den Umgang mit den beiden Tierarten. Nicht nur in Indien verdient die Kuh Verehrung: Sie ist ein Symbol des Lebens, schenkt den Menschen ihre Kraft und mit ihrer Milch Nahrung. Mein eigener Vater schätzte ihre Hilfe beim Pflügen und beim Bestellen der Äcker. Ihr sanftes und bescheidenes Verhalten verdient grosse Wertschätzung – ein anderes Wort für Verehrung.
An einem zentralen Ort von Edinburgh sitzt ein kleines Hündchen auf einem Sockel. Es hat zwar keinen Heiligenschein, dafür aber eine goldene Nase. Jeder Touristenbus fährt bei ihm vorbei und die meisten Besuchenden der Stadt lassen es sich nicht entgehen, eine «Wallfahrt» zu ihm zu machen. So kam «Bobby» von vielen Berührungen zu seiner goldenen Nase.

Nach Bobbys Tod schuf der Bildhauer William Brodie 1872 eine lebensgrosse Statue, die bei einem Pub vor dem Friedhof in Edinburgh dem treuen Hund ein Denkmal setzte.
Foto: Jean Drummond-Young

Bobby, ein kleiner Skye Terrier, war zwei Jahre alt, als sein Meister starb. Der Polizist wurde im Friedhof der Greyfriars-Kirche begraben – doch als die Trauenden das Grab verliessen, blieb Bobby beim Grab. Man versuchte ihn zu vertreiben, aber er kehrte immer wieder zurück. Seine Treue weckte Sympathie, und so durfte er darauf zählen, in der Stammbeiz seines Herrn etwas zu fressen zu bekommen. Einige Nachbarn liessen den kleinen Hund in ihren Häusern schlafen, wenn die Nächte besonders rau waren; trotzdem kehrte er zum Grab zurück, sobald er konnte. Besucher kamen zum Friedhof, nur um ihn zu sehen, und nannten ihn «Greyfriars Bobby». Die Stadt Edinburgh bekannte sich sogar als seine «Eigentümerin», als alle Hunde registriert werden mussten, aber für Bobby war sein Meister immer der Mann, der im Friedhof «schlief». Auf diesem Grab wachte Bobby 14 Jahre lang bis zu seinem eigenen Tod, wie man auf dem Grabstein seines Herrn lesen kann.
Ob durch grosse Hilfe oder durch ihre Treue: Das Gute, das wir durch Tiere erleben, ist so mannigfaltig, dass man es nicht umfassend beschreiben kann. Trotzdem sind Tiere für viele Menschen einfach Dinge, obwohl sie für andere als «bessere Menschen», gar als heilig gelten. Daher kommt die Idee, Tiere zu segnen. Wenn es ein Bedürfnis der glaubenden Menschen ist, das geliebte Tier unter den Schutz Gottes zu stellen, ist das gut – aber bringt es den Tieren etwas, einen rituellen Segen zu erleben?

Segen für Tiere?

Ein Segen in einem Gottesdienst ist eigentlich für das Haustier nicht entscheidend. Ein guter, artgerechter Umgang mit Tieren ist der beste Segen für sie. Es ist möglich, wenn es weder Tier noch Mensch stört, dass sie mit oder in der Nähe von «ihren» Menschen bei kirchlichen Anlässen dabei sind. In unserer Gemeinde nehmen etliche ihren Hund in den Gottesdienst mit und niemand stört sich daran. Unser «Laddie» weiss immer, wenn Sonntag ist, und hofft, dass er mit in die Michaelskapelle gehen darf. Dort allerdings schläft er die ganze Zeit und wacht erst am Ende des Gottes­dienstes wieder auf. Gewollt oder ungewollt bekommt er den Segen am Schluss mit auf den Weg.

Martin Bühler


Wie Tiere mir helfen

Mein Name ist Kalina, ich bin 33 Jahre alt und seit meinem achten Lebensjahr chronisch krank. Ich habe chronische Schmerzen und das chronische Erschöpfungssyndrom (CFS). Meine Tiere helfen mir jeden Tag, damit zu leben. Die beiden Hunde sind immer an meiner Seite. Sie wirken beruhigend, aufmunternd und geben mir eine gute Tagesstruktur. Mit meinem Tinkerpony Ludo arbeite ich seit letztem November daran, meine Muskulatur wieder aufzubauen. Es gibt mir die Ruhe, die Kraft und das Vertrauen, die ich gebraucht habe, denn anfangs konnte ich gerade mal 50 Meter im Schritt reiten. In der Zwischenzeit schaffe ich es beinahe täglich bis zu 50 Minuten lang zu reiten. Sogar das Galoppieren habe ich auf ihm gelernt. Wenn wir zusammen durch den Wald sausen, vergesse ich alles: Schmerzen, Ängste, Unsicherheiten, Erschöpfung sind wie verflogen und ich fühle mich unendlich frei. Sobald ich keine Kraft mehr habe, hält Ludo von selbst an. Wenn es mir an manchen Tagen schlecht geht, läuft er wie auf rohen Eiern.
Tiere sind sehr sensibel und können dadurch uns Menschen so viel geben. Durch Ludo bin ich schon enorm weit gekommen, dafür bin ich sehr dankbar. Pferde haben auch eine sehr beruhigende Wirkung. Im Stall kann ich runterkommen, die Seele baumeln lassen. Für viele Menschen sind Tiere die beste Medizin.

Kalina